"Prüft man dagegen neuere seriöse Bücher zum Thema, so hat man
zunächst zu fragen, ob sie erklären können, warum die Depression eine
Zeitkrankheit ist. Oder sollte man lieber nicht von Krankheit
sprechen (abgesehen von den etwa ein bis eineinhalb Prozent sehr
schweren Fällen, bei denen eine genetische Komponente eine Rolle
spielen kann)? Sollte man eher vom Sinn der Depression sprechen?
Verweist ihr Auftreten vielleicht darauf, dass der Betroffene sich
nicht genügend mit der Hygiene seiner Seele befasst hat? Das wäre
etwa dann zu vermuten, wenn jemand meint, er könne viele Jahre lang
über seine Kräfte leben, nur weil etwas in ihm danach verlangt, immer
besser in seinem Beruf zu werden - so dass, wenn die Kräfte
nachlassen und der Abstand zum Idealzustand immer größer wird, häufig
eine depressive Reaktion auftritt, die auf viele ungelöste
Enttäuschungen zurückgreift, die sich zu einem schwarzen Knäuel
zusammenballen. Kann Depression nicht auch eine Aufforderung dazu
sein, sich mit der Maßlosigkeit der Wachstumsideologie, mit der
Begrenztheit des Lebens auseinander zu setzen?"
>http://www.welt.de/print-welt/article524353/Der-Realismus-der-Trauri
gkeit.html
zunächst zu fragen, ob sie erklären können, warum die Depression eine
Zeitkrankheit ist. Oder sollte man lieber nicht von Krankheit
sprechen (abgesehen von den etwa ein bis eineinhalb Prozent sehr
schweren Fällen, bei denen eine genetische Komponente eine Rolle
spielen kann)? Sollte man eher vom Sinn der Depression sprechen?
Verweist ihr Auftreten vielleicht darauf, dass der Betroffene sich
nicht genügend mit der Hygiene seiner Seele befasst hat? Das wäre
etwa dann zu vermuten, wenn jemand meint, er könne viele Jahre lang
über seine Kräfte leben, nur weil etwas in ihm danach verlangt, immer
besser in seinem Beruf zu werden - so dass, wenn die Kräfte
nachlassen und der Abstand zum Idealzustand immer größer wird, häufig
eine depressive Reaktion auftritt, die auf viele ungelöste
Enttäuschungen zurückgreift, die sich zu einem schwarzen Knäuel
zusammenballen. Kann Depression nicht auch eine Aufforderung dazu
sein, sich mit der Maßlosigkeit der Wachstumsideologie, mit der
Begrenztheit des Lebens auseinander zu setzen?"
>http://www.welt.de/print-welt/article524353/Der-Realismus-der-Trauri
gkeit.html