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  • VoltaireJunior

mehr als 1000 Beiträge seit 17.09.2004

Mal was Grundsätzliches zu dem Fall...

Hier wird nun immer wieder mit allen möglichen und unmöglichen
Fallbeispielen gearbeitet, um entweder für oder gegen das Urteil zu
argumentieren. Aber worüber reden wir eigentlich?

Noch leben wir in einem Rechtsstaat. In diesem liegt das
Gewaltmonopol beim Staat, d.h. in diesem Fall bei den ausführenden
Organen wie der Polizei. Die Polizei ist letztlich dazu da, auch
durch Gewalt Gewalt zu verhindern. Diese Gewalt kann eben von den
Handschellen bis hin zum "Finalen Rettungsschuß" gehen. Umso
wichtiger ist eben daher auch in der Polizeiausbildung, daß man bei
der Anwendung von Gewalt seitens der Polizei die Verhältnismäßigkeit
wahrt. Dafür gibt es Gesetze und Bestimmungen, die die Polizeigewalt
auf die Arten von Gewalt begrenzen sollen, die einerseits mit dem
Menschenbild im Einklang stehen, andererseits aber auch die Gefahren
angemessen abwehren können, mit der Opfer von Verbrechern bedroht
werden.

Gehört nun die Folter als legitimes Mittel der Gefahrenabwehr zu
diesen Gewaltmitteln? Was ist Folter in diesem Zusammenhang
eigentlich? Wesentlich an der Folter (egal welcher Art) ist, daß im
Akt des Folterns allenfalls mittelbar eine Gefahrenabwehr erreicht
werden könnte, nicht aber unmittelbar. Unmittelbar ist der Gefolterte
dem Folterer ausgeliefert. Es geht also vom Gefolterten keine Gefahr
gegenüber dem Folterer aus, sondern umgekehrt. Der Folterer ist eine
Gefahr für den Gefolterten! Deshalb bleibt dem Gefolterten, um
seinerseits die Gefahr abzuwenden, nur, eine vom Folterer gewünschte
Information preiszugeben, um die Folter zu stoppen oder abzuwenden.
Gerade aber in seiner totalen Machtlosigkeit gegenüber dem Folterer
wird er bei entsprechender Schmerzzufügung alles gestehen, was man
von ihm hören will. D.h., seine Aussagen sind oder könnten
zumindestens wertlos sein. Folglich ist die Folter schon per se nicht
nur kein legitimes, sondern auch kein brauchbares Mittel zur
Gefahrenabwehr.

Die Situation bei Daschner und seinem Untergebenen offenbarte, daß
Beide offenbar nur sehr schlecht psychologisch auf Krisensituationen
geschult sind. Nicht nur, daß die Androhung von Folter strafbar ist,
sie ist auch total kontraproduktiv, wie ja auch dieser Fall bewiesen
hat. Zwar gestand nun der Täter den Mord, weil er Angst vor den
angedrohten brutalen Schmerzen hatte, aber der Jacob Metzler war
damit nicht zu retten. Hätte er denn damit gerettet werden können?
Vielleicht ja, vielleicht nein? Das kann niemand wissen und man kann
sich darüber die Köpfe heiß diskutieren. Fest steht aber, daß, wäre
Folter legal oder auch nur in bestimmten Situationen legitimiert,
wäre jede Folter letztlich bezüglich ihres Grundes "ergebnisoffen".
Ist dies nun aber ein Argument, die Folter zu tolerieren?

Theoretisch hätte der Mörder von Metzler ja auch ganz unschuldig sein
können. Theoretisch kann jeder von uns dann auf bloßen Verdacht
gefoltert werden, wenn er unter einem polizeilichen Verdacht gerät,
wenn man die Folter in diesem Falle befürworten würde. Aber es gilt
nicht umsonst in einem Rechtsstaat, daß vor dem Gesetz alle gleich
sind und im Zweifel immer für den Angeklagten (bzw. hier für den
Beschuldigten)geurteilt werden muß. 

Es geht also schlicht um die Alternative Folter oder Rechtsstaat. Mit
der Androhung der Folter wollte Daschner zwar das Leben eines
unschuldigen Jungen retten, aber damit hat er den Rechtsstaat als
führender Polizist untergraben und verfassungsfeindlich gehandelt,
und zwar wissentlich!!! Aber nicht einmal Unwissenheit schützt vor
Strafe. Das Rechtsgut, was Daschner verteidigen wollte, nämlich das
Leben des Jungen, war sehr hoch abzuwägen, keine Frage. Aber das
Rechtsgut Rechsstaat wurde dabei empfindlich gefährdet, nämlich in
seinen rechtsstaatlichen Prinzipien, die auch dem Verbrecher eine
menschliche Würde zugesteht, selbst wenn er würdelos handelt und die
Würde anderer Menschen mißachtet. Und Rechtsstaat bedeutet, daß sich
Herr Daschner wie jeder Polizist strengstens an das Gesetz zu halten
hat, denn schließlich ist es sein Beruf, das Gesetz zu schützen, und
nicht, es zu brechen!

Daschner hat insofern den Rechtsstaat vom Prinzip her wie ein
Krimineller unterminiert. Wer aber mit kriminellen Mitteln
Kriminalität bekämpfen will, den würde man wohl zu Recht korrupt
nennen. Der Mörder war zwar nicht unschuldig, aber Daschner gegenüber
wehrlos! In einem Rechtsstaat aber darf der Bürger der Polizei
gegenüber nicht wehrlos ausgeliefert sein. Das Gesetz muß ihn vor
polizeilicher Willkür schützen! Wenn es einem Polizisten durch Gesetz
(und NUR durch das Gesetz) gestattet wird, Gewalt auszuüben, dann muß
er sich umso bewußter sein, daß er mit einer gewalttätigen Handlung
das Recht verteidigen soll, nicht aber unterminieren darf! Recht ist
aber nur Recht, wenn es auf alle Menschen ohne Unterschied angewandt
wird.

Insofern war es auch völlig richtig, Daschner zu verurteilen. Aber es
war falsch, es hier mit einer Geldstrafe auf Bewährung bewenden zu
lassen. Diesen Ansatz finde ich völlig falsch! Es hat sich doch im
Laufe des Prozesses gezeigt, daß Daschner psychisch eher als
depressiv einzustufen ist. Seine Handlungen im Mordfall Metzler waren
von totaler psychischer Überfoderung dieses hohen Polizeibeamten
gekennzeichnet. Einen solchen hätte das Gericht aber besser die
Amtsgewalt entziehen sollen, wenn er so eklatante Fehler macht und
dies an seine eigenen psychischen Labilität liegt.

Deshalb hätte man zwar einen womöglich all die Jahre verdienten
Beamten nicht gleich aus dem Polizeidienst entfernen müssen, aber an
verantwortlicher Stelle hätte man ihn auch nicht belassen dürfen. 
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