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  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

die Schirach-Masche

Was anhebt, als werde die Schirach-Masche ein für alle Mal als solche blossgestellt und in ihrer gefährlichen Falschheit freigelegt, endet in banalster Weise. Suchsland kommt schliesslich über das Niveau eines Annonciertextes nicht hinaus.

Es ist der Ansatz der Spieltheorie, Situationen zu entwerfen, in denen es krasse, gegensätzliche Reaktionsweisen gibt. Etwa eine Bahnstrecke, an deren Weiche ich stehe und den unstoppbaren Zug, der darauf zufährt nach links oder rechts lenken soll, was in beiden Fällen vorgegebene, je unterschiedlich, aber jedenfalls negative Folgen hat. Schirach bläst das nun zu Filmen oder Theaterstücken auf. Immer steht man als Zuschauer an der Weiche und soll zwischen zwei Übeln, zwei wirklich üblen Übeln entscheiden.

Das Aufblasen dient dazu, den eigentlich offensichtlichen Haken zu verbergen. Der Kasus ist konstruiert, es gibt ihn in dieser Form in keiner Wirklichkeit. Ansatzweise arbeitet das Suchsland heraus, zieht daraus aber keine Schlüsse. Anders als in den Vorbildern der Spieltheorie, die nicht verbergen, dass sie konstruiert wurden, um dezisionistische Probleme auf den Punkt zu bringen, wird bei Schirach durch die Dramatisierung ein nicht ganz leicht zu durchschauender Schein von Wirklichkeit aufgebaut, was im vorliegenden Fall zum grundlegenden Fehlschluss führen kann, Folter könne in der Tat gelegentlich legitimierbar sein. Dass sie das schliesslich bei Schirach in der Konsequenz nicht ist, weil er das Opfer schon erstickt sein lässt, wenn der Ertrag der Folter realisiert wird, ist ein billiger Selbstschutz des Autors, der damit seine eigne Einstellung, von dessen Problematik er weiss verwischt.

Dass Schirach nicht neutral ist, beweist schon, dass er umstandslos unterstellt, die Folter führe zu Wahrheit, eine Unterstellung, die jeglicher realer Evidenz widerspricht. Gefolterte sagen alles Mögliche, damit bloss die Folter aufhöre.

Nochmals; der Kasus ist konstruiert, damit auch die erzwungene ethische Entscheidung eine irreale. Solche Eindeutigkeit gibt es in der freien Wildbahn nicht. Schon die spieltheoretische Kasuistik leidet an diesem Geburtsfehler und gleicht damit der Mathematik. Insofern sie zutrifft ist sie ausgedacht, in unseren Köpfen, insofern sie real ist, trifft sie nicht zu. Ihre Anwendung ist zwar äusserst erfolgreich, reduziert Welt aber auf ihren komensurablen und damit formalen Teil. Damit geht Inhalt verloren. Der unendliche Schmerz, die Erniedrigung eines gefolterten Menschen ist solch ein Inhalt. Seine Würde wird dadurch vernichtet, dass er zum Instrument wird, um einen Zweck, hier die Rettung des Entführungsopfers zu erreichen. Schon dadurch wird Leid vermehrt und nicht etwa reduziert. Und dazu kommt, wie ausgeführt, dass in der Realität nie eine Situation eintritt, in der ein Kalkül bündig aufgeht.

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