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  • Ice Tea

217 Beiträge seit 10.07.2020

Mehr Opium!

Danke auch für die vielfältigen Antworten, dihorst :)

Zur Erläuterung: Ich hatte das eigentlich bei wikiquote (und dann von dort unter dem link) nachgeschaut, um zu sehen ob es "Opium des Volkes" oder "Opium für's Volk" (Forum) heisst. - Zumindest in dem Ausschnitt fällt auf, dass es in dieser Erklärung des verkehrten Weltbewußtseins um das "des Volkes" geht, und nicht um den Teil des 'armen, ausgebeuteten Volkes'.

Es ist hier auch nicht von 'Betäubung der notleidenden Menschen' und 'Vertröstung auf bessere jenseitige Verhältnisse' die Rede, sondern vom falschen Bewußtsein in den geistlosen Zuständen dieser Gesellschaft. - Und das ist - "klassenübergreifend" - ebenso wichtig in der und für die Seelenpflege der Erfolgsmenschen. Auch Manager und ganze "Unternehmensphilosophien" kommen nicht mehr aus ohne "Ethik" und höheres Geschwurbel über "Zukunft des Menschen", "Segnungen der Technologie" in denen die banale private Produktion kapitalistischen Reichtums immer auch als höhere Wohltat und "Dienst an der Menschheit" verpackt wird.

Bei soviel Glauben in diese irdische Ordnung, ihre "Zukunft" und ihr ewiges "Wachstum" relativiert sich vielleicht der institutionalisierte religiöse Glaube an den einen vorgegebenen Gott ein wenig, das Bedürfnis nach dem höheren Sinn ist damit aber gar nicht obsolet und sucht sich eben andere Tummelplätze. Buddhismus, Psychotherapie, 1000 youtube-Kanäle, die den Glauben an "das Universum" beflügeln und die Selbsterkenntnis "coachen", dass man sich darin nur zu der Erfolgskanone selbstoptimieren sollte, die die Vorsehung bereits für einen vorgesehen hat.

Vielleicht schreibt Marx an anderer Stelle mehr über die Verheißungen der Religionen speziell für die Klasse der Lohnarbeiter, oder die "Armen" mit dem schlechten psychischen Wohlbefinden ... (?), aber auch aus meiner relativen Unkenntnis (und dem Zitat) würde ich mal annehmen, er hat von dem Stuss generell nichts gehalten und nicht die Kritik gehabt, die Religion wäre nur ein böses Unterdrückungs- und Vertröstungsmittel für die Massen.

Die Behauptungen im Artikel sowie die Angaben aus der Studie halte ich für fragwürdig. Woran wird ein "Rückgang der Religiosität" in Deutschland festgemacht?

Seit Jahren liest man zwar über zunehmende Kirchenaustritte, zum großen Teil aber wegen der häufigen sexuellen Kindesmißbrauchsfälle, Vertuschungen, kirchlicher Finanzskandale oder anderen Unzufriedenheiten der Gläubigen mit der Institution, - nicht mit dem Glaubensprinzip.
Auf der anderen Seite erfährt man von einem Boom der vielen "Ersatzreligionen", seit den 80ern. - Was bedeutet da die Frage (der Studie) "Wie wichtig Religionen" dem einen oder anderen sind?
Was heissen denn solche "Antworten" wie "wichtig, sehr wichtig, oder überhaupt nicht". Buddhisten oder Esoterikerinnen würden wohl sagen "unwichtig", weil sie ihre Glaubensreiche gar nicht als Religion sehen und die Kirchen oft nicht leiden können.

"Unwichtig" würden sicherlich auch einige der traditionellen Kirchenmitglieder sagen, die nur noch passiv ihre Steuern zahlen und ihren Glauben sonst nur im Denken pflegen, ohne an der Kirchengemeinde teilzunehmen; die also religiös sind, denen aber die organisierte Religion dann "nicht wichtig" ist, die "Religionen" von Anderen schon gleich nicht.
Die statistischen Zahlen zum religiösen Verfall würde ich deshalb schon in Zweifel ziehn. Die Religiosität findet eben nicht mehr so umfangreich im althergebrachten Gottesdienst, sondern mehr im Selbstbedienungsladen des persönlichen Lifestyle statt, ganz "frei" im auserwählten Sollen, versteht sich, und nicht bevormundet von der Pastorin.

Na dann doch noch zur "Studie": die Studie selbst hat rausgefunden, dass es Menschen, denen es materiell schlecht geht auch psychisch schlecht geht, es sei denn sie glauben; an eine gute höhere Begründung für ihr Elend. Dann fühlen sie sich wenigstens besser, so die Behauptung, auch wenn sich gar nichts an ihrer Lebenslage verbessert hat. Fast ein Wunder.
Wobei die Sache mit dem Trost allerdings selbst oft zur harten und langwierigen Probe für den Glauben gerät, weil er ja nie eine Erklärung für das schmerzhafte "Schicksal" will, nicht mal beim unabänderlichen Trauerfall, sondern Anerkennung des Leidens am "unerklärlichen Sinn". Da wird meist solange am Leiden und Trost festgehalten bis "die Zeit" irgendwann mal "alle Wunden heilt", - was der "Trost" dann wohl doch nicht so vermag.

Bei der Armut könnte man denken, da ließen sich Gründe erklären, der gesellschaftlichen Art, so dass man die nicht als "unabänderliches Schicksal" hinnehmen müsste, in das man sich fügen muss. Bei diesen Forschern kommt der Religion als Faktor für Unzufriedenheit eine wichtige Rolle zu. Wenn die Religion nur genug predigt, dass Reichtum, Wohlstand, oder auch nur materielles Auskommen und schon das Streben danach gar nicht die erstrebenswerte Norm darstellen sollten, dann werden die Leute - ganz im buddhistischen Sinne - zufriedener. Wer nichts mehr will ist schließlich zufrieden damit und leidet nicht mehr, dass er nur das Nötigste bekommt.

Interessant die Schlussbehauptung am Ende, von Psychologin Berkessel, der "Glaube federt die Auswirkungen von Armut ab, indem er den betroffenen Menschen Trost und Zuversicht spendet".
Und das ist nun das Schöne am Glauben, dass Menschen die verarmt werden nichts außer "Trost und Zuversicht im Glauben" finden, sich mit ihrer Armut abfinden und nicht weiter unzufrieden werden?

"Im Sozialstaat nach skandinavischem Modell erkennt Berkessel einen möglichen "Ersatz" für die abnehmende Religiosität".

Schon irre. Da werden Menschen von dieser Wirtschaftsweise und mit sozialstaatlicher Betreuung so verarmt, dass sie unzufrieden werden (könnten) und die Psychologin ermittelt, dass Religion her muss, damit die eingefriedet werden. Dann stellt sie fest, soviel Religion gibt's ja gar nicht mehr; im "säkularen Staat fehlt" da also was Entscheidendes! Was fällt ihr ein? Auf keinen Fall sowas wie die übliche soziale Unterstützung, Förderprogramme, schon gar nicht eine "Bekämpfung der Gründe der Armut". Nein, die kommt wie ein unabänderliches "Faktum" daher.

Für soziales, materielles in die Röhre schauen sollte erst die Religion der passende Ersatz sein. Als "Ersatz für fehlende Religion" soll nun ein "Sozialstaatsmodell" herhalten, das in den meisten Ländern längst im Ausgangspunkt für "Armutsbetroffenheit" und eben die Zustände gesorgt hat, bei denen nur noch "Religion" das probate Mittel für "Trost und Zuversichtsspenden" sein sollte. Und weil die als "Heilanstalt" zunehmend wegfällt, sollen Betroffene nun wieder in die Sozialämter verschoben werden - noch dazu als "Religionsersatz", und nicht wegen irgendwelcher zu erwartender "materieller Hilfen".

Psychologen empfehlen unterm Strich also mehr 'sozialstaatliche' Religion, als psycho-soziale Betreuung vielleicht. - Da hör ich schon viele Betroffene rufen, "dann lieber Her mit dem richtigen Opium!"

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