Nützy schrieb am 27.09.2021 17:32:
Der Artikel verbreitet eine Halbwahrheit - Nicht alles Leid ist Ausbeutung
Ich habe keine derartige Bemerkung im Artikel gefunden. Auf welche Textpassage(n) beziehst Du Dich?
Der Mensch ist in der Lage sich selbst Fragen zu stelle, die er nicht beantworten kann (*. Wie zum Beispiel: Gibt es einen Gott?, Was hat die Welt verursacht?, Was ist diese Realität überhaupt?, auch "Was ist Wahrheit" oder "der Sinn des Lebens".
Aber sicher können wir all diese Fragen beantworten. Allerdings könnte die Antwort nicht immer zufriedenstellend sein, sie könnte etwa lauten: Wir wissen es nicht, und allem Anschein nach werden wir es nie herausfinden können. Nur dürfte sich nicht jeder mit einer solchen Antwort zufrieden geben, denn Menschen wollen gern Gewißheit haben. Religionen bieten in diesem Sinn Gewißheiten an, derer sich religiöse Menschen, die Halt und Orientierung in unserer Welt suchen, gern bedienen.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens allerdings muß ein jeder für sich selbst beantworten, und es ist gut möglich, daß es so viele unterschiedliche Antworten darauf gibt wie es Menschen gibt.
Versetzen wir uns jetzt mal in die Lage eines antiken Menschen, der keine Videospiele oder so hat, um sich abzulenken und den diese Fragen kommen. Als mögliche Antwort hat er vielleicht wirklich nur die überlieferten Geschichten der Vorfahren, die ihn trösten.
Außerdem suggeriert der Artikel, dass alles Leid auf wirtschaftlichen Verhältnissen beruht. Das ist falsch.
Er untersucht diesen einen Aspekt, den sozioökonomischen Status (SES), behauptet aber an keiner Stelle, daß das die einzige Quelle von Leid wäre. Sämtliche Arten und Ursachen von Leid auch nur anzudiskutieren würde den Umfang jeder Studie ins Unermeßliche steigern.
Auch wenn Marxisten und ähnliche Wertmaterlialisten das noch so gerne behaupten.
Was verstehst Du unter Wertmaterialisten?
Im Übrigen kenne ich keinen einzigen Marxisten, der eine solche Behauptung (menschliches Leid erwüchse nur aus wirtschaftlichen Verhältnissen) geäußert hätte. Wie kommst Du zu dieser Behauptung?
Es gibt Katastrophen, es gibt Schmerz, es gibt Leid, es gibt Trennung, es gibt Angst... Alles ist real und über all das tröstet uns Religion hinweg. Falls man denn die Möglichkeit hat, daran zu glauben.
Sicherlich, aber auch Trost erwächst aus mehr als nur einer Quelle. Er kann auch denjenigen zuteil werden, die nicht religiös gläubig sind.
Wenn man sie nicht hat, dann wird das Vakuum häufig durch andere Vorstellungen gefüllt:
Es dürfte Dir kaum möglich sein, einen Einblick in das Innenleben eines, wie Du es nennst, Marxisten zu werfen Das von Dir dort vermutete Vakuum ist nichts weiter als eine Vorstellung Deinerseits. (Ich finde es schon merkwürdig, daß Du als Gegenpol zum Gläubigen den Marxisten darstellst. Was ist denn dann Bodo Ramelow Deiner Meinung nach? Die Welt besteht nicht aus Pol und Gegenpol, sondern aus einer Vielzahl von Nuancen zwischen beiden Polen).
Stoizismus oder Existenzialismus bei einigen eher gebildeten, irgendwelche esoterischen Vorstellungen bei anderen (häufig genug auch gebildeten, zumindest formal) und wieder andere wenden sich "irdischen Heilslehren" zu, wie sie manche tiefenpsychologische Schulen oder eben so etwas wie Marxismus versprechen. Es ist aber klar, dass die Politik niemals diese Probleme endgültig lösen kann. Selbst im "Star Trek"-Universum gibt es noch Verlust, Schmerz und Angst durchzustehen. Eine gesellschaftliche Utopie kann nur gesellschaftliche Probleme lösen, niemals jedoch die "existenziellen".
Das bezieht sich nicht nur auf eine gesellschaftliche Utopie, sondern auch auf sehr reale Gesellschaften.
Die Psychologen können einem am Ende des Tages nur beibringen, damit umzugehen: Die Welt ist immer noch so grausam und unmenschlich wie vorher, man kann damit nur viel besser umgehen.
Das soll den Artikel nicht widerlegen, nur ergänzen.
Und natürlich ist es nur einseitig die Betrachtung der psychologischen Funktion der Religion für das Individuum. Es gibt da natürlich in der Wissenschaft und Philosophie noch mehr zum Thema zu sagen.
Naja, ich rechne die Psychologie zu den Wissenschaften...
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*: Völlig egal, ob man die Fragen aus prinzipiellen Gründen nicht beantworten kann oder nur "praktisch" nicht oder ob wir die Frage vielleicht sogar irgendwann beantworten können. Der Unterschied zwischen starken und schwachen Agnostizismus ist soweit akademisch.
Unter "prinzipiell nicht beantwortbar" fällt übrigens auch, dass sie sinnlos sind.
Siehe oben.