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mehr als 1000 Beiträge seit 27.05.2021

Re: Gelassenheit, weitläufiger Kontext

Du hast sicherlich recht mit der mythologischen Verankerung von (guter) Literatur, oder eigentlich allen kulturellen Produkten. Beispielsweise soll auch die Comedyserie Seinfeld mehr oder weniger die Geschichten aus dem Talmud nacherzählt haben. Alte Geschichten immer wieder neu erzählt bringen effektiv unseren universellen Wertekanon auf den aktuellen Stand. Dadurch werden auch nur schwach religiöse Produkte - wenn sie denn etwas klassisches beschreiben - zu Werteträgern, die übergenerationell wirken können. Einfallen würde mir da Star Trek als dem wohl einflussreichsten Kulturprodukt des Nachkriegswestens (wobei das Franchise vor lauter religiöser Anleihen nur so trieft..).

Das ist dann wohl auch der Grund, warum die Entkolonialisierung von Büchern so sehr betrieben wird und Star Trek etc auf ihr Gegenteil gedreht werden: Nach der unmittelbaren religiösen Bindung sollen wir auch den literarischen Kontakt mit den Werten der Vergangenheit verlieren.

Und wahrscheinlich gab es auch damals schon viele Schriften, die ganz wie heute, totgeburten waren und von Anfang an nur für den Moment gedacht waren.

Auf welches Kulturprodukt diese Ausrichtung heute nicht zu? Man muss nur einmal Lady Gaga vergleichen mit dem, was die Rolling Stones vor 50 Jahren für Musik gemacht haben.

Manches ging sicherlich bedauerlicherweise verloren, anderes (vieles) wohl, weil es für die damalige Zeit geschaffen und gestaltet war.

Kennst du Eike von Repgow? Das war ein Jurist, der vor 800 Jahren das erste Rechtsbuch geschrieben hat, in dem die Sklaverei als unmoralisch bezeichnet und damit verboten wurde. Sein Werk war ziemlich einflussreich und legte ua. den Grundstein für die später überall vorherrschende Haltung gegen die Sklaverei. Eigentlich sollten Konservative den Mann heute auf einem Schild tragen, aber er bleibt trotz Zeitgeist völlig vergessen.

Unüblich für damalige Verhältnisse schrieb Repgow das Buch in Prosa und nicht in Reimform, das man sich als Analphabet besser merken konnte, sprich, war ein Lehrbuch ausschließlich für Fachleute. Vielleicht lags daran, dass wir ihn heute nicht mehr kennen.

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