Traktatorist schrieb am 27.09.2021 10:41:
Wo steht bei Karl Marx eigentlich, dass Religionen "Gleichzeitig die Menschen daran hinderten, gegen die ungerechte Strukturen zu kämpfen, unter denen sie leiden."?
Ich kenne nur:
"Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes."Ich befürchte aber eher, dass Religionen immer noch wesentlich wirkungsvoller sind als wir denken!
Walter Benjamin betrachtete bereits 1921 den Kapitalismus selber als eine Religion, „eine reine Kultreligion, vielleicht die extremste (ist), die es je gegeben hat“.Dem stimme ich voll zu. Und je weniger der Kapitalismus in der Lage ist, seinem eigenen Anspruck genüge zu tun und das versprochene Glück im hier und jetzt zu gewährleisten, wird dieser Glaube wieder durch alte Religionen ersetzt werden.
Im Gegensatz zum Kapitalismus versprechen diese wenigstens Glück und Trost für die "Zeit" nach dem Tod. Deshalb ein Zuwachs des Islamismus und bei uns Esoterik und radikales Christentum. Aber von "oben" werden wir in jedem Fall bestimmt!
Das eigentliche Problem was ich immer mehr befürchte ist, dass der Mensch ohne "Anleitung von oben" gar nicht zufrieden sein kann, sondern sich von Sinnlosigkeit geplagt fühlt und phlegmatisch wird.
Eindeutig ein Zeichen für "Gut in der Schule". ;-)
Ich hoffe ich irre mich dabei aber es scheint doch so?
Hinterfragen?
So wird das nichts mit "Sehr Gut". ;-)
Sind wir überhaupt in der Lage unsere eigenen Bedürfnissen zu erkennen und diesen zu folgen ohne schlechtes Gewissen?
Maslow hatte das schon mal in Pyramidenform formuliert.
Auf welcher Stufe man seine persönliche Frustration erfährt hängt vom sozioökonomischen Status ab. Für ein 'Gewissen' ist darin kein Platz, so die Populationsdichte* nur hoch genug ist.
In einer den Gestaltungsraum marginalisierenden, also dysfunktionalen, Gesellschaft hängt es von der Persönlichkeit ab, ob eine Hinwendung zu Religion** oder Mafia** erfolgt.
Wären wir im Kommunismus, wenn er denn so wäre wie Karl Marx ihn definierte, also "jeder nach seinen Fähigkeiten und jedem nach seinen Bedürfnissen", überhaupt zufrieden?
Also mal die Frage aussen vor, ob soetwas überhaupt möglich wäre, sondern selbst wenn es ginge!?
Grundsätzlich ist das eine Frage der Organisation.
Ein hemmendes Element sind kollektive, tradierte Traumata, was Heine für die Deutschen mal 'spiritualisierte Sklaverei' nannte. Dem ist innerhalb von Wahlperioden ohne zielangebende Verfassung nicht beizukommen.
MfG
* Bei Beobachtung einer Gruppe im Amazonasbecken ist Ethnologen mal aufgefallen, das deren Organisationsstruktur eher zu einer Feudalgesellschaft als zu einem in Sippen unterteiltem Stamm passt.
Auf diesen Aspekt gerichtete Studien sind mir bisher nicht bekannt.
** Wobei diese Begriffe sinnhaft für den Rückzug ins Private oder der Hingabe an bestehende Machtstrukturen stehen mögen. 'Sozialarbeiter' auf der Yogamatte schaffen beides aber das ist 'ne andere Geschichte bzw Stufe.