Bill Hicks schrieb am 22.12.2024 19:29:
Weglassen würde bedeuten, das der Journalist zunächst den Gesamtkontext recherchiert und verstanden hat und dann aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen aktiv Informationen auslässt.
Viel realistischer ist, glaube ich, dass Journalisten nach Vorgabe eines groben Themas und zwei Minuten Grobrecherche eine Geschichte im Kopf haben und nun nur noch losziehen um ihren bias zu bestätigen.
Wenn dann nicht offensichtliche Widersprüche offensichtlich werden oder negatives Feedback aus der eigenen Bubble kommt bzw. vom Chefredakteur, wird der Artikel nach kürzester Zeit in die Veröffentlichung gegeben.
Anders kann ich mir einen Großteil der Artikel die man so zu lesen bekommt nicht mehr erklären.
In diesen Punkten deines Posts gebe ich dir Recht. Anders als du, habe ich allerdings die Vermutung, dass die minimalistische "Großrecherche" wesentlich davon beeinflußt wird, was
Auftraggeber/Chefredaktionen erwarten. Ich würde als Journalist zu einem Thema niemals einen identischen Artikel gleichzeitig von sämtlichen Chefredaktionen von z.B. Bild, SZ, Zeit, Spiegel, Focus, Taz oder TP zur Veröffentlichung genehmigt kriegen. Wahrscheinlich müsste ich ihn dafür gleich 5 mal redigieren! Wenn ich das als angestellter Journalist versuchen würde, hätte ich über kurz oder lang ein Problem mit meinem Arbeitgeber. Als freier Journalist hab ich es auch nicht viel einfacher, denn ich krieg meine Artikel, selbst wenn sie mit immensen Aufwand vollständig durchrecherchiert wären auch nur partiell -wenn überhaupt- in der Presse untergebracht.
Klar mag es bewussten Spin geben, aber das Gros der Fehlleistungen wird einfach nur Unkenntnis der Autoren sein.
Ich würde das anders gewichten. Fast jeder Journalist schreibt mit einem bewußten Spin, weil er muss (als Angestellter) oder weil sich sein Arbeitsaufwand sonst nicht rechnet. (Als Freier)
Das würde dann auch "die partielle Unkenntnis" der Autoren erklären.
Aber es gibt trotzdem die Möglichkeiten sich objektive Meinungen zu bilden, denn mit einiger Übung kann man sehr gut erkennen, welche Chefredaktionen jeweils "welche Unkenntnis" ihrer Journalisten akzeptieren. Und wenn man sich dann durch den "Blätterwald" hindurchwurschtelt kommt man am Ende schon noch zu einer relativ objektiven Meinung... ...und zu der Erkenntnis, dass z.B. ein TAZ-journalist niemals "die gleiche Unkenntnis" in seinen Artikel offenbart, wie ein Bild-journalist!
Bei Heise und einigen Wenigen anderen, die auch mal mehr als eine DIN A4 vollschreiben, gibt es da schon noch was zu lesen, aber was teilweise als Tickermeldung nur noch automatisch kopiert wird, ist häufig so dünn, das bald wirklich die Überschrift reicht um den Text erfasst zu haben.
Ich sag`s mal so. Ich finde den Heise/TP-Artikel einerseits ok, da er ein Problem des Journalismus feststellt, das ich für mich durchaus genauso feststelle.
Ein Problem hätte ich allerdings damit, wenn der Autor sich selbst von diesen Problem ausnehmen würde, denn dann würde ich eine Begründung einfordern/bzw. im Artikel erwarten dürfen.
Dass das im Artikel beschriebene Problem des Journalismus besteht, ist für mich keine neue Erkenntnis. Trotzdem gut, dass der Artikel dieses Problem nochmal benennt. ICH bin allerdings der Meinung, dass das schon immer die Begleiterscheinung der Pressefreiheit und der freien Meinungsäußerung war! Allein uns Rezipienten obliegt es, daraus eine objektive Meinung zu generieren.
Journalismus der laut tönend verkündet, dass er dieses Problem für sich gelöst hat... ...ist für mich völlig suspekt... ...und anders, als vor wenigen Jahren fordere ich einen Journalismus mit 100% Wahrheitsgehalt auch gar nicht mehr ein...
...sondern nur noch das Zugeständnis der Journalisten, dass sie 100% Wahrheitsgehalt auch nicht abliefern können bzw. wollen... und "das Unkenntnis" keine Entschuldigung dafür ist .
Meine Meinung!
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.12.2024 21:26).