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  • Sinntraktor

946 Beiträge seit 05.06.2017

versucht Pany die Gelbwesten zu instrumentalisieren?

Sein Beitrag liest sich jedenfalls stellenweise wie ein Stoßgebet, die Gelbwesten mögen sich doch als linke Bewegung entpuppen und mit Klimaschützern sich vereinigen. Ich vermute, es wird auch Beiträge von rechts geben, die wünschen, dass sich die Gelbwesten mit dem Frontnational vereinigen.

Ich hoffe, dass alle Versuche der Vereinnahmung von links wie rechts sowie aller etablierten Institutionen scheitern werden. Die meisten Bürger sehen sich schließlich weder als stramm links noch stramm rechts. Also eine Bürgerrechtsbewegung wäre wohl das Richtige, wie damals am Ende der DDR. Und zur von Pany phasenweise beschworenen Polizeigewalt: die friedliche Revolution in der DDR wäre wohl kaum so friedlich verlaufen, wenn die Bürger nicht gewusst hätten, dass schon kleinste Provokationen der Polizei zu hartem Durchgreifen führen konnten. So haben sie halt mit dem Anzünden von Kerzen gewaltlos protestiert. Insofern wünsche ich mir eine Polizei, die Randalierer und Gewalttätige konsequemt festsetzt, denn genau diese sind es, die die Gelbwesten am ehesten in Verruf geraten lassen. Dann können die normalen Bürger in Ruhe demonstrieren und gewinnen weiter an Zustimmung.

Als Ausgleich zum Pany Artikel empfehle ich folgenden Anriss eines Artikels im Cicero:

Der Feind der Freiheit steht heute links

In Frankreich und in halb Europa wächst der Widerstand gegen die Führungszirkel. Aber die parlamentarische Linke geht nicht nur auf Tauchstation, sondern sogar zum Gegenangriff über. Wer die Freiheit verteidigen will, muss umdenken.

Ein Gespenst geht um in Europa: das Gespenst einer wachsenden Aufmüpfigkeit und Protestbereitschaft. Die begreift sich explizit nicht als „links“ und sorgt somit bei politischen Akteuren und Kommentatoren für einige Verwirrung. Ganz gleich, ob man sich die „gilets jaunes“ (Gelbwesten) in Frankreich, das Aufbegehren italienischer, spanischer, katalanischer, ungarischer und griechischer Wähler oder aber der britischen Brexit-Wähler ansieht: Der Protest gegen alte politische Strukturen und Prozesse geht an der politischen Linken völlig vorbei. Ihre zaghaften Versuche, im Nachhinein Kapital aus den Bewegungen zu schlagen, scheitern ebenso wie ähnliche Bemühungen rechter Organisationen, die Wut der Bürger als eigenen Erfolg für sich zu reklamieren.

Die Proteste der Gelbwesten in Frankreich erinnern in ihrer Selbstorganisation und in ihrer spontanen Nutzung sozialer Medien eher an die Anfänge des „Arabischen Frühlings“ als an traditionell politisch organisierte Bewegungen. Sie sind auch in ihrer Heftigkeit und in ihrer inhaltlichen Breite von einer neuen Qualität. Ursprünglich entzündeten sie sich an Steuererhöhungsplänen. Mittlerweile geht es aber um weit mehr. In den französischen Medien wird eine beeindruckende Liste von mehr als 40 Forderungen der Gelbwesten diskutiert. Es geht nicht nur um die Senkung der Steuern auf Kraftstoffe, sondern auch um grundlegende Veränderungen in den Bereichen Arbeit, Bildung, Finanzen, Gesundheits-, Migrations- und Wohnungspolitik. Zudem sollen plebiszitäre Elemente und Bürgerräte gestärkt, das Parlament neu gewählt und der Senat wie auch zahlreiche Sonderregelungen für Spitzenpolitiker abgeschafft werden. Neben Mindestlöhnen und -renten fordern die Demonstranten auch eine Festlegung der Maximalbezüge für Politiker. Die Abschaffung der Vermögenssteuer für Millionäre soll wieder rückgängig gemacht werden.

Diese Forderungen sind alles andere als eine wahllos zusammengewürfelte, vorweihnachtliche Wunschliste: Sie mag zwar sowohl linke, liberale wie auch eher rechte Forderungen beinhalten, speist sich aber vor allen Dingen aus der Einsicht, dass die Regierung den Paris den Kontakt zur Lebenswirklichkeit der arbeitenden Bevölkerung endgültig verloren hat. Die Reaktion der Regierung auf die landesweiten Proteste unterstreicht diesen Kontaktverlust: Eher hilflos versuchte Präsident Emmanuel Macron zunächst, seine Steuererhöhungen mit dem Hinweis auf den Umweltschutz zu rechtfertigen. Anschließend griff er die Versuche rechter Politiker auf, die Proteste für eigene Zwecke zu missbrauchen,und er diffamierte die Bewegung kurzerhand als „pro-faschistisch“.

https://www.cicero.de/innenpolitik/gelbe-westen-linke-frankreich-brexit-europa/plus

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