Einer der auffallendsten Unterschiede zwischen den Protesten in FR und den Demonstrationen in DE ist die unterschiedliche Struktur innerhalb der Protestierenden.
Während in DE relativ "illustre" Persönlichkeiten an der Spitze der "Bewegung" auszumachen sind, zu nennen sind hier wohl v.a. Ballweg und Schiffmann, später auch Hildmann, sind diese "Köpfe" in FR schwer auszumachen.
Dort scheint man das "bewährte" Konzept der Gelbwestenbewegung zu fahren, sich durch horizontale Organisation und Vermeidung von klaren Führungspersönlichkeiten weniger angreifbar zu machen, mit allen strukturellen Problemen, die dies in sich trägt.
Gerne übersehen wird, dass die deutschen "Rädelsführer" von einem Großteil der gegenüber der Pandemiepolitik der Regierung kritisch eingestellten Demonstranten, und denen, die sich (noch) nicht auf öffentliche Kundgebungen trauen, eben nicht als Repräsentanten anerkannt werden und tatsächlich wohl auch nur einen kleinen Teil des organisierten Widerstands ausmachen, gibt es doch inzwischen weitaus mehr Protestgruppen, als nur "Querdenken 711". Für viele, gerade ansonsten politisch links bis hin ins anarchistische Spektrum zu verordnenden, Regierungskritiker wirken derartige Führerfiguren auch eher befremdlich bis abschreckend.
Es scheint aber eine deutsche Eigenart zu sein, oft als "Vereinsmeierei" umschrieben und durch die Rechtsnormen des BGB und des Demonstrationsrechts schon fast gefordert, jedwede "Zusammenrottung" in streng hierarchischer Form zu organisieren. (Ist eigentlich die AntiFa auch ein e.V.? Würde ja bedeuten sich der zu bekämpfenden bürgerlichen Rechtsnorm zu unterwerfen...)
Und genau durch diesen Zwang zur BGB-konformen Organisationsstruktur macht sich jede Protestbewegung angreifbar und wird jedes revolutionäre Ansinnen quasi im Keim erstickt. Die Herrschaft hat sich schon was dabei gedacht, sogar den potenziellen Widerstand in ein solches Korsett zu stecken...
Erinnern wir uns, wie zu Beginn der Gelbwesten in FR es v.a. die "etablierten" bürgerlichen Strukturen der "organisierten Opposition", vornehmlich die Gewerkschaften, waren, die gegen die chaotisch organisierten Aufständler Gift und Galle spuckten ob ihrer Insubordination unter den eigenen Führungsanspruch. Und dass sich da kein "Spitzenpersonal" ausfindig machen ließ, das man, notfalls mit untergeschobenen belastenden "Beweisen" an den Karren fahren, es medial durch Desavouierung und Polemik zum Paria stempeln und damit letztlich die Bewegung ihrer Führung berauben, bzw. selbst als "schmutzig" (Kontaktschuld (Le Pens anfängliche Distanzierung war hier sehr wichtig!)) hinstellen konnte, brachte Politik und Journaille zum Schäumen.
Ganz anders hierzulande.
Hier gab und gibt es einen Ballweg, der sich dann mit Reichsbürgern traf, einen Schiffmann, der sich absetzt, einen Hildmann, der immer offener den Nazi raushängen lässt, bequem aus dem selbstgewählten "Exil", und unklare Verwendung von Spenden, etc... (auf den "Steuerskandal" kann man wohl noch etwas warten... ebenso wie auf plötzliches auftauchen von KiPo etc...)
Sprich, es gibt zahlreiche Angriffspunkte eben durch die Herausstellung von einzelnen Persönlichkeiten, die man notfalls auch nach "System Maulwurf" seitens der Herrschenden selbst installieren lassen kann.
Dass die Mehrzahl der Unzufriedenen eben nicht diesen Führungsfiguren hinterherrennt, sondern sie primär, und dies leider oftmals sehr unreflektiert, als "Informationsmultiplikatoren" gebraucht, spielt dann schon keine Rolle mehr. Hinzu kommt, dass je größer der betonte dogmatische Richtigkeitsanspruch der ö.r. Medien daherkommt, die Gegenseite umso unkritischer bereit ist, jede Gegenmeinung und auch jede manipulatorische Falschinformation aus der eigenen Blase zu schlucken. Das Prinzip "Druck erzeugt Gegendruck" wird gerade auch von der Herrschaftsklasse bewusst manipulativ genutzt.
In FR fällt es den Machthabern um Macron sichtlich schwer, abseits des Generalverdachts gegen RN, die tatsächlichen "Hintermänner" des Protests zu benennen, geschweige denn, "dingfest zu machen".
Blickt man mal auf 1789 zurück, so kann man durchaus feststellen, dass es eben nicht primär die benennbaren Köpfe in der Nationalversammlung waren, die die Revolution in Gang brachten, sondern gerade der unorganisierte, führerlose "Mob" in den Straßen, welcher am Ende die Monarchie zu Fall brachte. Die heute bekannten "Revolutionsführer" kamen erst später an die Spitze, so wie nach jeder Revolution sich eine neue Herrschaftsriege sehr schnell etabliert, die zumeist schlimmer wütet, als das abgeschaffte Unterdrückertum. Revolution ist halt am Ende fast immer der manipulative Kampf einiger weniger um die Futtertröge unter Ausnutzung des Rudels... (Gilt übrigens auch für bisher jede kommunistische/sozialistische Revolution!)
Vielleicht wird man irgendwann mal daraus lernen; und durch die führungslose Protestform in FR hege ich da doch noch ein wenig Hoffnung.
Am Ende steht die Frage, wie man Protest und Widerstand organisieren kann, ohne hierarchische Strukturen, ohne konkrete Leithammel und den sich daraus ergebenden Angriffsflächen.
Die Zersplitterung des Protests, wie wir es ja bereits erleben, als Folge der gesellschaftlichen Spaltung, mag zwar den Herrschenden entgegenkommen, ist aber das Todesurteil jeder Widerstandsbewegung. Wenn dann in Berlin 200 Demos mit je 100 Teilnehmern - also zusammen 20000 Menschen - mit Abstand zueinander und unter strenger Kontaktvermeidung durch die Straßen ziehen, weil die eine Gruppe ja mit der anderen nichts zu tun haben will und darf, kann man das nicht nur als läppische Minderheit paraphrasieren, sondern vortrefflich den Hass der Demonstranten unter- und gegeneinander instrumentalisieren.
Die französiche Revolution war gerade deshalb erfolgreich, weil der dritte Stand sich endlich einmal in einem Anflug von nationalem Zusammengehörigkeitsgefühl nicht gegeneinander ausspielen ließ und Geschlossenheit zeigte.
Was aber wird denn seit einer gefühlten Ewigkeit, und gerade von ehemals "revolutionären" linken Kreisen ausgehend, als verachtens- und verdammenswert gebrandmarkt? Nationale Einigkeit und Einheit. Womöglich gar über Standes- und Klassengrenzen hinaus (Querfront!)
Wem aber nützt dies, wenn unter dem Deckmantel der linken Systemablehnung (*hust* so was von vorgestern :o) ) das System stabilisiert und gestützt wird?!
Ich breche hier erstmal ab, obwohl da noch einiges mehr zu benennen wäre, weil der Post sonst doch zu langatmig und ausschweifen wird. Evtl. kommt da aber doch noch mehr von mir.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.08.2021 09:09).