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  • Karl Sten

mehr als 1000 Beiträge seit 14.08.2015

Dem Artikel fehlt imho die saubere Trennung zwischen ...

... Völkermord und Kriegsverbrechen.

Es steht absolut außer Frage, dass Frankreich in Algerien viel Schuld auf sich geladen hat - sowohl im 19. Jahrhundert als auch nach dem 2. Weltkrieg. Und dass bisher wenig - von beiden Seiten - getan wurde, die Geschichte aufzuarbeiten.

Der Versuch, den Journalisten zum Schweigen zu bringen, ist definitiv keine Sternstunde für Frankreich.

Allerdings war das Massaker von Oradour imho kein Teil des Holocaust, sondern eindeutig ein Kriegsverbrechen gemäß der Haager Landkriegsordnung von 1899 & 1907, welches durch die Waffen-SS begangen wurde.

Artikel 23 der HLKO verbietet die Tötung von wehrlosen Personen, einschließlich Geiseln.

Artikel 50 verbietet Repressalien gegen Zivilisten für Handlungen, die sie nicht begangen haben.

Kriegsverbrechen und Holocaust sollten schon sauber getrennt werden. Der Holocaust war langfristig und bürokratisch geplant - Kriegsverbrechen erfolgen eher spontan aus der Frustration einer Situation heraus. Z.B. nach harten Kämpfen mit hohen eigenen Verlusten.

Dass die Franzosen vergleichbare Kriegsverbrechen auch in Algerien begangen haben, war bereits zu Zeiten des Algerienkrieges bekannt. Allerdings waren die Algerier auch keine Unschuldslämmer, wie z.B. das Massaker von Melouza, 1957, mit über 300 Toten zeigt

Man muss allerdings auch sagen, dass der Tod von 1/3 der Bevölkerung während eines Eroberungskrieges vor dem 20. Jahrhundert historisch gesehen nicht wirklich unüblich war. Erst die Folgen des amerikanischen Bürgerkrieges, des italienischen Befreiungskrieg und der deutschen Einigungskriege haben dazu geführt, sich Gedanken über den Schutz von Soldaten und Bevölkerung zu machen.

Im 30-jährigen Krieg sollen zwischen 30 und 50 % der deutschen Bevölkerung gestorben sein, bei der Magdeburger Bluthochzeit 1631 starben 20.000 von 35.000 Einwohnern.

Während seines Feldzugs in Ägypten hat Napoleon nach der Eroberung von Jaffa bis zu 4.000 osmanischen Kriegsgefangenen ermordet - letztendlich, weil sie eine Belastung für ihn waren.

Im Kongo sollen als Folge der belgischen Kolonialherrschaft bis zu 10.000.000 Menschen gestorben sein.

Ich bin daher der Meinung, dass es dem Artikel gut angestanden hätte, die beschriebenen Verbrechen zum einen korrekt in den zeitlichen Kontext einzuordnen und zum anderen nicht mit den aktuellen Ereignissen in Russland, Israel und Deutschland zu vermischen. Das passt imho vorne und hinten nicht und lenkt nur ab vom Kern des Problems.

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