Der Alptraum der US-Geostrategen wäre eine diplomatische Einigung zwischen China und den Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres. Solche Verhandlungen gibt es tatsächlich. Seit 2002 wird über einen "Code of Conduct" (COC) im Südchinesischen Meer verhandelt, in letzter Zeit intensiv. Man hört wenig darüber in unserer Presse.
Verhandlungspartner sind China einerseits und die zehn ASEAN-Staaten andererseits: Thailand, Indonesien, Malaysien, Philippinen, Singapur, Brunei, Laos, Vietnam, Myanmar, Kambodscha.
Verhandlungsgegenstände sind Bodenschätze, Fischereirechte und Sicherheit der Schifffahrt.
Zur Lösung territorialer Fragen gibt es zwei konkurrierende Prinzipien:
1. Prinzip: historische Rechte über die Inseln, Felsen und Sandbänke im Südchinesischen Meer.
Das Prinzip "historische Rechte" ist Grundlage der chinesischen Position. Etwa seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert beansprucht China den allergrößten Teil des Südchinesischen Meeres aus historischen Gründen für sich. Dieser Teil wird auf chinesischen Karten von der sogenannten "nine-dash-line" umgrenzt.
Was nie in unseren Medien steht: nicht nur die Volksrepublik beansprucht das Territorium innerhalb der nine-dash-line, sondern auch Taiwan als Nachfolgerin der Republik China.
2. Prinzip: "United Nations Convention on the Law of the Sea" (UNCLOS) von 1982. UNCLOS regelt nicht, wem die Inseln etc. gehören. Es setzt nur bestimmte Grenzen fest. Zum Beispiel:
"Territoriale Gewässer" (hoheitliche Gewalt). Sie reichen bis 12 Seemeilen vor die Küste.
"Economic exclusive zones (EEZ, Wirtschaftszonen). Sie reichen bis 200 Seemeilen vor die Küste.
Die ASEAN-Staaten scheinen in letzter Zeit immer mehr zu UNCLOS als Verhandlungsprinzip zu neigen, worin sie von den USA bestärkt werden.
Die konkurrierenden Konzepte von chinesischer "nine-dash-line" und UNCLOS sieht man auf dieser Karte:
https://sites.tufts.edu/lawofthesea/files/2017/07/SouthChinaSea.png
rot: chinesische nine-dash-line
blau: EEZ nach UNCLOS
Aktueller Stand: die COC-Verhandlungen zwischen China und ASEAN laufen intensiv, in letzter Zeit allerdings durch COVID behindert. Über den Fortschritt ist wenig bekannt geworden. Oft ist in der westlichen Presse Pessimismus zu hören. Das Problem sind angeblich die unüberbrückbaren Verhandlungspositionen zwischen China (historische Rechte) und ASEAN (UNCLOS). Ob das wirklich stimmt, ist von außen schwer zu beurteilen. In der westlichen Presse steht jeder bullshit.
Aus meiner unmaßgeblichen Sicht gibt es zwei Probleme:
1. Problem: Weder historische Ansprüche noch UNCLOS taugen als Grundlage für eine Einigung.
Wenn man, wie China, anfängt, über historische Ansprüche auf die Inseln und Sandbänke zu diskutieren, wird man an kein Ende kommen, weil diese seit uralten Zeiten bekannt waren und von Fischern, Guanosammlern und Abenteurern aller Anrainer des Südchinesischen Meeres besucht wurden. Wer will entscheiden, wer da jeweils der erste war, der seine Fahne ins Korallenriff gerammt hat?
UNCLOS hilft andererseits auch nicht weiter, weil auch die ASEAN-Staaten untereinander ungeklärte territoriale Ansprüche haben. UNCLOS ist eigentlich ein gutes Konzept. Es funktioniert aber nur, wenn geklärt ist, wem die Inseln usw. gehören.
In der westlichen Presse wird immer so getan, als ob nur China der Störenfried im Südchinesischen Meer wäre. Tatsächlich gibt es aber auch eine Myriade an Streitigkeiten der ASEAN-Staaten untereinander.
Die konfligierenden territorialen Ansprüche der ASEAN-Staaten untereinander sieht man auf dieser Karte:
http://alencontre.org/wp-content/uploads/2021/04/SouthChinaSee.jpg
Erst im August letzten Jahres ist ein vietnamesischer Fischer von der malaysischen Küstenwache erschossen worden, weil er angeblich in malaysischen Gewässern gefischt hat. Es ist nicht nur China, das "assertive" im Südchinesischen Meer auftritt.
https://www.scmp.com/week-asia/politics/article/3097863/south-china-sea-clash-raises-vietnam-malaysia-tensions-after
2. Problem: Die USA wollen keine Einigung zwischen China und ASEAN. Sie wollen keinen "Code of Conduct". Ihr Anspruch ist es, selbst die Regeln der "regelbasierten Ordnung" aufzustellen, und zwar überall auf dem Globus. Daß es China gelingen könnte, in Südostasien mit ASEAN zusammen die Regeln zu bestimmen, ist für das US-Selbstbild ein schwer erträglicher Affront. Sie tun alles, was in ihrer Kraft steht, Konflikte zu schüren und die Verhandlungspartner zu entzweien.
Dabei sind die USA bekanntermaßen nicht einmal selbst Mitglied von UNCLOS. Sie haben die UN-Seerechtskonvention nicht ratifiziert.
Auf lange Sicht haben die USA die schlechteren Karten. Die chinesische Marine ist Verteidigerin. Sie operiert nahe an ihren eigenen Küsten. Die US-Marine andererseits hat lange logistische Linien. Chinas Produktionskapazität wächst. Es hat durch "Belt and Road" vielfältige Verbindungen in die Region. In den ASEAN-Staaten besteht ein deutliches Bewußtsein, daß sie von den USA im Konfliktfall fallengelassen werden können und nur als Kanonenfutter gut genug sind.
Was ist in dieser Situation die Lösung der USA? Sie suchen weitere Bündnispartner bzw. weiteres Kanonenfutter. Mit Japan, Australien und Indien bilden sie die "Quad"-Gruppe, die zu Trumps Zeiten mal als "asiatische NATO" angedacht war. Südkorea hat schon dankend abgelehnt. "Thanks, but no thanks".
Nach dem Amtsantritt Bidens mobilisieren die USA jetzt auch ihre europäischen Vasallen. Frankreich, Großbritannien haben schon Marineverbände nach Fernost geschickt. In diesen Kontext gehört die Reise der deutschen Fregatte.
Aufgabe der "Bayern": mit anderen zusammen Unruhe im Südchinesischen Meer schaffen. Ein bißchen provozieren, zündeln, keine Ruhe eintreten lassen. Vor allem aber: keine Einigung zwischen China und seinen Nachbarn zustande kommen lassen