Ja, es gibt Urlaubsfahrten und Verwandtenbesuche und vielleicht sogar Spazierfahrten. Der bei weitem überwiegende Teil der Fahrten mit dem PKW (oder auch dem ÖPNV) ist beruflich induziert oder dient mehr oder weniger essenziellen Verrichtungen im Rahmen der normalen Lebensführung: Einkaufen, Arztbesuche, Fahrten zu Freizeitstätten.
Zum Einkaufen auf in den Supermarkt fahren wir, weil es betriebswirtschaftlich clever erscheint, das Warenangebot in großen Lagern zu bündeln - während es uns scheißegal ist, dass die Distribution der Waren ab dort wirklich sagenhaft ineffizient ist. Jeder fährt seine 5 Kilo zwei Mal die Woche mit 1,5 Tonnen spazieren.
Wir erleben gerade das gleiche Phänomen bei der medizinischen Versorgung. Ärzte, die weniger als 150.000 Euro im Jahr verdienen, gelten als Idioten - was die Allgemeinarzt-Versorgung in der Fläche jetzt schon zusammenbrechen lässt. Die Fachärzte sind da sowieso schon kaum noch vertreten.
Wohnungen sind nicht erst sei ein paar Jahren knapp und teuer. Als ich 1990 das erste Mal selber eine Wohnung (in München/Umgebung) finden musste, gab' es Angebote wie eine Altbauwohnung mit einem - mit der Nachbarwohnung, die von einer alten Frau bewohnt wurde - gemeinsam benutztem Bad/WC. Das Problem ist, dass die akute Knappheit - und die Preise - die Mobilität beim Arbeitsplatzwechsel behindern. Das macht man einmal mit, dann schei*t man drauf, geht ein wenig in die Peripherie und pendelt mit dem Auto.
Im Prinzip hat die heilige Wirtschaft die Kosten ihrer Produktion mit Billigung der Politik hart externalisiert. Jetzt stellt sich heraus, dass das Gemeinwesen diese Externalisierung der Kosten an vielen Stellen nicht mehr tragen kann - und statt darüber nachzudenken, was wir da falsch gemacht haben, versuchen wir die Fehler weiter zu optimieren.
Mobilität ist kein Grundrecht - Wohnen, Essen, Gesundheit, Kinder kriegen, Bildung, das sind Grundrechte. Im Prinzip tun wir so, als ob das Supergrundrecht Mobiltät die einzige Voraussetzung dafür wäre, dass wir die anderen Grundrechte wahrnehmen können.
Tatsächlich müssten wir mit Kostenehrlichkeit und Effizienz Leben, Wohnen, Arbeiten so organisieren, dass ein Minimum an Individualmobilität nötig ist.
An der Stelle kommen die Betriebswirtschaftstrolle, die dann erklären, dass das die Wirtschaft kaputt machen würde und wir dann alle hungern müssten. Das Gegenteil ist aber der Fall: Wir müssen die absurden Gewinne, die seit Jahrzehnten in den Finanzcasinos die Welt zerstören, nach Hause holen - und zwar nicht in Geld, sondern in Lebensqualität. Und die wird in den allermeisten Fällen durch kommunale Dienstleistungen beziehungsweise wohnortnahes Wirtschaftsleben geschaffen.
Wir müssen nicht die Mobilität optimieren, wie müssen sie minimieren. Und die Reste kann man dann optimieren - wie zum Beispiel die Autos für die ambulanten Pflege- oder Paketdienste.
Dann muss man darüber nachdenken, wie man mit Wohneigentum umgeht. Ein Problem ist, dass Wohneigentum in Relation zu den Löhnen geradezu absurd teuer sind und nicht erst seit gestern. Das macht es sehr schwierig, nach Bedarf zu verkaufen oder zu kaufen.
Andererseits ist es nicht das vordringliche Ziel der Politik Besitzstände zu wahren - zumindest sollte es das nicht sein. Wenn ich die Probleme für 50% der Bevölkerung recht elegant lösen kann, dann müssen halt 20% in den sauren Apfel beißen.
Im Moment beißen permanent 50% in die sauren Äpfel, damit es 10% richtig gut geht. Und die übrigen 40% träumen davon, zu den 10% aufzuschließen und haben schlechte Laune (und wählen möglicherweise "bürgerliche" Parteien..) , wenn sie merken, dass das nie passieren wird...
Es ist ein Teufelskreis...