Der wahre DRG schrieb am 29. März 2005 2:04
> > Vor einer weiteren Diskussion sollten wir uns vielleicht einigen, was
> > Du unter einem Musikkritiker verstehst. Wahrscheinlich nicht das
> > gleiche wie ich.
>
> Simpel gesagt einer, der sagt, dass folgende Musik gut ist aus den
> und den (nicht rein persönlichen) Gründen, andere hingegen schlecht
> aus den und den Gründen. Oder anders gesagt jemand, der meint, Dinge,
> die nur vom Geschmack und persönlicher Neigung abhängen, objektiv
> beurteilen zu können.
Ich glaube nicht, daß dieser Typ Mensch so existiert, wie Du ihn Dir
vorstellst, denn das Problem ist die Objektivität. "Gut" und
"schlecht" allein sind noch keine Kriterien für eine Beurteilung.
Da gibt es wenig Ansatzpunkte, am ehesten vielleicht noch im
Zusammenhang mit Harmonielehre, Satzaufbau oder Notation -
musiktheoretische Betrachtungen also. Das allerdings kann vielleicht
den Unterschied zwischen einer Sonate und einem schlichten Liedchen,
bestehend aus drei Akkorden, erklären. Es kann auf dieser Basis den
Unterschied zwischen einem Komponisten wie Stockhausen und einem
Songschreiber der heutigen Zeit erklären.
Aber Musik ist eben nicht nur Komposition, sondern vor allem
Interpretation. Die Absichten, Musik zu schreiben (oder sollte ich
besser sagen: zu produzieren), sind heutzutage ganz andere als noch
vor einem Jahrhundert. Und auch unter diesem Aspekt muß man Musik
beurteilen. Weiter gehts mit den Verbreitungswegen, die Musik geht
(also besonders den Medien). Auch die sind einer Analyse wert, denn
da hat sich in den letzten Jahrzehnten Entscheidendes verändert.
Unbedingt hinein gehört auch das soziale Umfeld, aus dem heraus die
Musik entsteht und das sie möglicherweise entscheidend verändert,
kulturelle Aspekte also.
All das sind die Aufgaben von Musikkritikern. Selbst die fundierteste
Kritik kann sich aber nicht über Deinen persönlichen Geschmack
hinwegsetzen. Und der ist wahrscheinlich in überwiegendem Maß geprägt
von Deinem sozialen und kulturellen Umfeld: dem Elternhaus, dem
Freundeskreis. Freilich kann sich der persönliche Geschmack im Lauf
des Lebens wandeln, aber (so meine Erfahrung) nicht grundlegend.
> > Man kann sehr wohl Musik auf einer fundierten Basis analysieren. Man
> > kann beispielsweise die Frage untersuchen, ob Musik einer bestimmten
> > Stilrichtung einen ganz bestimmten Personenkreis anspricht. Und man
> > könnte darüberhinaus die Frage stellen, weshalb das so ist.
>
> Klingt für mich nach der Aufgabe für einen Soziologen. Und was soll
> bei so einer Untersuchung jetzt herauskommen? Der Musikkritiker wird
> dir ja schlecht sagen, zu welchem Personenkreis zu gehörst, das wirst
> du schon selbst wissen. Du könntest höchstens davon ausgehen, dass
> dein persönlicher Geschmack dem des Kritikers entspricht, und dir
> somit das gefallen dürfte, was ihm gefällt. Was hebt ihn dann aber
> über den Status deines besten Kumpels, dem dieselbe Musik gefällt wie
> dir? Die Bezeichnung Kritiker impliziert schließlich eine gewisse
> Authorität.
Es geht nicht um den persönliche Geschmack des Kritikers. Es geht
darum, Kriterien zu erarbeiten, nach denen man Musik beurteilen kann:
Weshalb finde ich gerade diese Musik gut, und weshalb gefällt mir die
andere nicht? Nach welchen Kriterien beurteile ich Musik?
Mit dem Soziologen hast Du nicht ganz unrecht, denn die Art Musik,
von der hier die Rede ist, wird beinahe ausschließlich aus einem
Grund erzeugt: um Geld zu verdienen. Das beginnt bei der Auswahl der
Interpreten und endet beim kurzlebigen Massenartikel Song. Und da muß
man sein Zielpublikum schon gut kennen; und die Musik soll ja die
breite Masse bedienen, weil der "Nischenmusikhörer" kaum Geld in die
Kassen spült. Es gibt aber vor allem innerhalb der
Kulturwissenschaften eine Fachrichtung Ästhetik, die Musikkritiker
hervorbringt (Prof. Peter Wicke als Beispiel).
Ich bin mir nicht so sicher, ob es das ist, was Du lesen wolltest.
Aber Deine Frage lautete ja immerhin, und die habe ich als
Ausgangspunkt genommen: "Wozu brauchen wir eigentlich
Musikkritiker?". Und deshalb streift Deine nachfolgende Bemerkung das
Thema nur am Rande:
> > > Was gibt es denn da zu kritisieren, wie Musik auf einen wirkt,
> > > ist ja wohl für jeden unterschiedlich. Letzten Endes ist es
> > > Geschmackssache.
Schließlich nur noch eine Ergänzung zu beinahe einem Nebensatz:
> > Bereits die Erwähnung ist eine Wertung. Und warum der Genannte einer
> > Erwähnung wert ist, erschließt sich immer aus dem Kontext des
> > Artikels. Wäre er nicht der Rede wert - wozu dann über ihn schreiben?
>
> Du willst also sagen, es gibt ausschließlich gute Kritiken? Wenn ein
> neues langersehntes Album von Star XY rauskommt, wird es entweder
> wohlwollend erwähnt oder totgeschwiegen?
Nein, es könnte auch ein Verriß dabei herauskommen. Der Begriff
"Wertung" ist nicht positiv besetzt.
> > Vor einer weiteren Diskussion sollten wir uns vielleicht einigen, was
> > Du unter einem Musikkritiker verstehst. Wahrscheinlich nicht das
> > gleiche wie ich.
>
> Simpel gesagt einer, der sagt, dass folgende Musik gut ist aus den
> und den (nicht rein persönlichen) Gründen, andere hingegen schlecht
> aus den und den Gründen. Oder anders gesagt jemand, der meint, Dinge,
> die nur vom Geschmack und persönlicher Neigung abhängen, objektiv
> beurteilen zu können.
Ich glaube nicht, daß dieser Typ Mensch so existiert, wie Du ihn Dir
vorstellst, denn das Problem ist die Objektivität. "Gut" und
"schlecht" allein sind noch keine Kriterien für eine Beurteilung.
Da gibt es wenig Ansatzpunkte, am ehesten vielleicht noch im
Zusammenhang mit Harmonielehre, Satzaufbau oder Notation -
musiktheoretische Betrachtungen also. Das allerdings kann vielleicht
den Unterschied zwischen einer Sonate und einem schlichten Liedchen,
bestehend aus drei Akkorden, erklären. Es kann auf dieser Basis den
Unterschied zwischen einem Komponisten wie Stockhausen und einem
Songschreiber der heutigen Zeit erklären.
Aber Musik ist eben nicht nur Komposition, sondern vor allem
Interpretation. Die Absichten, Musik zu schreiben (oder sollte ich
besser sagen: zu produzieren), sind heutzutage ganz andere als noch
vor einem Jahrhundert. Und auch unter diesem Aspekt muß man Musik
beurteilen. Weiter gehts mit den Verbreitungswegen, die Musik geht
(also besonders den Medien). Auch die sind einer Analyse wert, denn
da hat sich in den letzten Jahrzehnten Entscheidendes verändert.
Unbedingt hinein gehört auch das soziale Umfeld, aus dem heraus die
Musik entsteht und das sie möglicherweise entscheidend verändert,
kulturelle Aspekte also.
All das sind die Aufgaben von Musikkritikern. Selbst die fundierteste
Kritik kann sich aber nicht über Deinen persönlichen Geschmack
hinwegsetzen. Und der ist wahrscheinlich in überwiegendem Maß geprägt
von Deinem sozialen und kulturellen Umfeld: dem Elternhaus, dem
Freundeskreis. Freilich kann sich der persönliche Geschmack im Lauf
des Lebens wandeln, aber (so meine Erfahrung) nicht grundlegend.
> > Man kann sehr wohl Musik auf einer fundierten Basis analysieren. Man
> > kann beispielsweise die Frage untersuchen, ob Musik einer bestimmten
> > Stilrichtung einen ganz bestimmten Personenkreis anspricht. Und man
> > könnte darüberhinaus die Frage stellen, weshalb das so ist.
>
> Klingt für mich nach der Aufgabe für einen Soziologen. Und was soll
> bei so einer Untersuchung jetzt herauskommen? Der Musikkritiker wird
> dir ja schlecht sagen, zu welchem Personenkreis zu gehörst, das wirst
> du schon selbst wissen. Du könntest höchstens davon ausgehen, dass
> dein persönlicher Geschmack dem des Kritikers entspricht, und dir
> somit das gefallen dürfte, was ihm gefällt. Was hebt ihn dann aber
> über den Status deines besten Kumpels, dem dieselbe Musik gefällt wie
> dir? Die Bezeichnung Kritiker impliziert schließlich eine gewisse
> Authorität.
Es geht nicht um den persönliche Geschmack des Kritikers. Es geht
darum, Kriterien zu erarbeiten, nach denen man Musik beurteilen kann:
Weshalb finde ich gerade diese Musik gut, und weshalb gefällt mir die
andere nicht? Nach welchen Kriterien beurteile ich Musik?
Mit dem Soziologen hast Du nicht ganz unrecht, denn die Art Musik,
von der hier die Rede ist, wird beinahe ausschließlich aus einem
Grund erzeugt: um Geld zu verdienen. Das beginnt bei der Auswahl der
Interpreten und endet beim kurzlebigen Massenartikel Song. Und da muß
man sein Zielpublikum schon gut kennen; und die Musik soll ja die
breite Masse bedienen, weil der "Nischenmusikhörer" kaum Geld in die
Kassen spült. Es gibt aber vor allem innerhalb der
Kulturwissenschaften eine Fachrichtung Ästhetik, die Musikkritiker
hervorbringt (Prof. Peter Wicke als Beispiel).
Ich bin mir nicht so sicher, ob es das ist, was Du lesen wolltest.
Aber Deine Frage lautete ja immerhin, und die habe ich als
Ausgangspunkt genommen: "Wozu brauchen wir eigentlich
Musikkritiker?". Und deshalb streift Deine nachfolgende Bemerkung das
Thema nur am Rande:
> > > Was gibt es denn da zu kritisieren, wie Musik auf einen wirkt,
> > > ist ja wohl für jeden unterschiedlich. Letzten Endes ist es
> > > Geschmackssache.
Schließlich nur noch eine Ergänzung zu beinahe einem Nebensatz:
> > Bereits die Erwähnung ist eine Wertung. Und warum der Genannte einer
> > Erwähnung wert ist, erschließt sich immer aus dem Kontext des
> > Artikels. Wäre er nicht der Rede wert - wozu dann über ihn schreiben?
>
> Du willst also sagen, es gibt ausschließlich gute Kritiken? Wenn ein
> neues langersehntes Album von Star XY rauskommt, wird es entweder
> wohlwollend erwähnt oder totgeschwiegen?
Nein, es könnte auch ein Verriß dabei herauskommen. Der Begriff
"Wertung" ist nicht positiv besetzt.