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  • OberstMeyer

mehr als 1000 Beiträge seit 08.01.2010

Unzureichender politologischer Entwurf

Der Autor sieht 3 Wege zur Klimarettung und Friedenssicherung,
1. den marxistischen Weg gewaltsamer Revolutionen
2. den Weg der inneren Transformation zum „guten“ Kapitalismus durch die technologische Entwicklung mittels Staat
3. die Beseitigung des Kapitalismus über systemische Veränderung einer schrittweisen sozialökologischen Transformation (Vernunft)
Ganz in Tradition der Politikberatung gibt er diesen Varianten Kurzinformationen bei, die vorhergehenden fachlichen Wertungen entstammen. Das hat den Vorteil, die eigenen Einschätzungen nicht begründen zu müssen und die voraussichtlich erfolgreichste, nicht unbedingt die begründetste zum Favoriten zu erklären. Analyse geht anders. Dem Publikum wird so eigenes Urteil erspart, besser: vorenthalten. Dieses Multiple-Choise-Verfahren genügt einfachsten Anforderungen, dürfte jedoch für den proklamierten Zweck, Denkhilfe zu geben, ungeeignet sein. Es setzt eher Denkgrenzen an den Anfang. Sein vorgeblicher Theorieansatz erweist sich bei genauerer Betrachtung als Strategieansatz, die Theoriefrage überspringend.
Dies mag der Methode der Politologie entsprechen, die aber so systemerhaltend wirkt und sich dabei systemkritisch gibt. Wenn man schon politologisch herangeht, müßte da nicht das Kriterium, „Politik ist der konzentrierteste Ausdruck der Ökonomik“ beachtet und angewandt werden oder ist das gar nicht Usus? Kann man die Bewertung der 3 Varianten ohne die Analyse der Produktionsverhältnisse angehen um zu einem realistischen Bild kommen? Das ist zu bezweifeln.
Was der Autor an Variante 2 als Ausschlußgrund implizit anführt, daß damit kein grundlegender Wandel gesellschaftlicher Verhältnisse, worunter man primär die Produktionsverhältnisse zählen muß, erreicht werden kann, läßt er bei Variante 3 rücksichtsvoll gelten. Er setzt auf eine „ gemeinwohlorientierte Ökonomie“ über „ Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Durch Veränderungen der vorhandenen Gesellschaftsstrukturen sollen diese schrittweise einen Charakter annehmen, die die Gesellschaft in eine nicht mehr kapitalistisch zu nennende macht. Mit Verlaub, das ist Kindergeburtstag. Wer soll denn wo und wie einen solchen Einfluß gewinnen können? Subversiver Marsch durch die Instanzen, den Staat kapern und die Gesellschaft umlenken? Oder „befreite Zonen“ schaffen, um dort was zu machen, und dann die gesamte Gesellschaft infiltrieren? Das paßte in sowieso schlechte Hollywood-Filme, nicht in die gesellschaftliche Realität.
Es schwebt der Verdacht, daß ein Hauptanliegen des Autors darin besteht, vor allem vor den bösen Geistern des „Marxismus“ und speziell vor Marx zu warnen, er läßt dafür keine Gelegenheit verstreichen und kein abgestandenes Totschlagargument ist ihm zu schade, es doch nochmal an jungen unbedarften Menschen wirken zu lassen. Allerdings scheinen seine Kenntnisse von Marxens Werken nicht allzu tief und auch nicht allzu neu sein. Gut, ein paar Ideen kann man noch verwenden, aber sonst … Der Luftzug des Abwinkens ist unverkennbar. Marx ist für ihn der Schöpfer des Marxismus und damit schuldig. Tiefere Kenntnisse der Marxschen Theorie jedoch werfen direkt die Frage auf, was im Marxismus ist von Marx. Zuviel Mühe?
An ihn als Wissenschaftler muß man jedoch etwas mehr Ansprüche stellen, wenn er sich dazu ein Urteil erlaubt. Er verrät keinen blassen Schimmer außer ein paar Allgemeinplätzen der Marxschen Theorie zu haben, sonst würde er nicht bei der flachen These stehen bleiben, daß Marx der Schöpfer der gewaltsamen Revolution sei. Das ist reine Propaganda. Von einem Gesellschaftswissenschaftler kann man schon erwarten, Marxens Leben, Wirken und Schaffen als einen historischen Prozeß zu sehen und zu werten. Es ist ziemlich klar, daß er das Spät- und Lebenswerk von Marx nicht kennt. Sonst würde er begriffen haben, daß dessen Werttheorie, sein Hauptwerk, nicht mit dieser Unterstellung, gewaltsame Revolution gepredigt zu haben, in Übereinstimmung zu bringen ist und Marx sich damit davon eindeutig absetzte.
Die Werttheorie, da aller historischen und entwicklungsbedingten Umstände entledigt, liefert die theoretischen Grundlage für die Suche und Bestimmung einer Gesellschaftstheorie und -praxis des Wandels in eine „vernünftige“ Struktur, die auf den real existierenden und durch keinen noch so überraschenden geistigen Einfall zu ersetzenden Produktionsverhältnissen beruht. Sie orientiert auf die Schaffung neuer, bisheriger und prinzipieller Widersprüche freien Produktionsweise, die durch keinen Zaubertrick (sim salabim: hier ist die „ gemeinwohlorientierte Ökonomie“) entstehen kann. Er könnte sich, bevor er sich aktuell zu Marx äußert, mal mit der Neuausgabe von „Das Kapital 1.1-1.5“ von Rolf Hecker und Ingo Stützle, besonders des Teiles „1.5 Die Wertform“ und den Arbeiten von Dieter Wolf (DE GRUYTER, Von den allgemeinen Eigenschaften, Arbeitsprodukt und abstrakt menschliche Arbeit zu sein, zum Wert und zum „Doppelcharakter der Arbeit“) befassen. Dann könnte er erkennen, welche Bedeutung den Produktionsverhältnissen in dem von ihm dargestellten politischen Prozeß eigentlich haben.
Ansonsten wäre es seriöser, den Mund zu halten.

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