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Avatar von Axel Farr
  • Axel Farr

mehr als 1000 Beiträge seit 06.05.2002

Schubladendenken

Der Text sowie das Dokument, das in ihm analyisiert wird strotzen nur so von "Schubladendenken".

Das ist das, was mich immer an den "Linken" abgestoßen hat: Es wird in den verschiedensten linken Ideologien immer peinlichst darauf geachtet, dass man jede Person, jede politische Ansicht möglichst in eine passende Schublade verfrachten kann. Einen Gutteil der politischen Argumentation unter "Linken" wird dann darauf verschwendet, sich über die Benennung der Schubladen zu streiten und darüber, dass die Schublade X ja bitte noch einen Trenner zwischen X.1 und X.2 benötigt.

Leute, seht Euch mal um: Da sind Menschen um Euch herum. Jeder mit einer eigenen Lebensgeschichte, mit eigenem Denken, mit eigenen Gefühlen. Auch die Menschen, die in den 1980er Jahren gegen die NATO-Nachrüstung protestiert haben und in den 1990er Jahren dann die NATO-Luftangriffe auf Serbien beführwortet haben sind nicht unbedingt nach "Rechts" abgedriftet - sie haben aber vielleicht eingesehen, dass die Gründe, warum man gegen atomar bewaffnete Pershing-Raketen und Tomahawk-Cruise-Missiles waren vielleicht nicht auf eine Enthaltung aus den Jugoslawienkriegen gepasst haben.

Es gibt auch viele Menschen, die gegen Krieg und Aufrüstung eingestellt sind, sich aber auch im Klaren darüber sind, dass man einem Unrechtstaat wie der russischen Föderation nicht erlauben sollte, die Ukraine einzunehmen und die Menschen dort zu entrechten - nachdem sie das Land vorher in Trümmer gelegt haben.

Der klassische Pazifismus des 19. Jahrhunderts hat sich vor allem gegen die nationalistisch motivierte Aufrüstung in den damaligen europäischen Königreichen sowie in Deutschland, Frankreich und Russland gewandt. Diese Staatsgebilde sind heute (mit Ausnahme vielleicht des englischen Königreichs) nicht mehr existent. Der Pazifismus während des kalten Krieges hat sich vor allem gegen die Aufrüstung der NATO gegen den (damals noch mehr hochgerüsteten) Warschauer Pakt gewandt, auch diese Aufrüstung hatte sich in den 2000er Jahren in ihr komplettes Gegenteil verkehrt.
Das hat Russland seit 2014 genutzt, militärisch die Ukraine anzugreifen, der Westen hat mit den Minsker Verträgen versucht, Russland einzuhegen - ohne militärische Drohung, ohne Unterstützungsangebot für die Ukraine. 2022 hat man dann gesehen, was daraus geworden ist.

Ist es da verwunderlich dass der Pazifismus, so wie er klassisch gesehen wurde kaum noch Zulauf hat?

Dass die AFD auch gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ist liegt nicht in deren Pazifismus begründet: Teile der AFD kommen aus dem Spektrum der "neuen Rechten", für die sind westeuropäische Medien nur "Lügenpresse" und ihre "alternative Wahrheit" finden sie in den russischen Propagandaquellen bestätigt. Da stellt man sich dann auch mal gerne zu den Friedensdemonstranten hin - es könnte ja helfen damit Deutschland weiterhin die "Taurus" nicht liefert. Und, ja, auch das ist jetzt wieder "Schubladendenken". Es gibt aber auch ehemalige AFD-Mitglieder, die genau aus diesem Grund aus der Partei ausgetreten sind.

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