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  • caphorn

mehr als 1000 Beiträge seit 10.04.2006

In dem Zusammenhang verbieten sich Vergleiche mit Auschwitz und Buchenwald

Anders gesagt (und das sage jetzt ich): Auschwitz und Buchenwald konnte man nicht mit Pazifismus befreien, sondern mit Gewalt gegen die Mörder.

Dieser Vergleich zeigt eindeutig, dass Sie den Hintergrund dessen, was in der Ukraine passiert nicht erfassen, was meiner Meinung nach auch für den Ansatz Ihrer Kritik gilt. Ich will es gar nicht im Einzelnen ausführen, wie hanebüchen Ihr Ansatz ist, der natürlich die Postion der guten, westlichen Systeme wiederspiegelt. In Auschwitz und Buchenwald standen sich keine zwei feindlichen Armeen gegenüber, die auf beiden Seiten von hoch potenten Geldgebern gefüttert wurden. Da gab es nur Opfer und Täter, eine Zuordnung, die im vorliegenden Fall zumindest nicht so einfach getroffen werden kann, meiner Meinung nach absolut unmöglich ist. Es gibt keine Entsprechung für die von Ihnen zitierten Symbole in der Ukraine. An jeder anderer Stelle wird der Vergleich mit dem Nazi Regime als Verharmlosung gewertet, in Ihrem Kommentar nicht. Aber das bedeutet nicht, dass dieser gerechtfertigt ist. Es gibt Berichte über Misshandlungen an russischen Kriegsgefangenen, man sollte berücksichtigen, was die Ukraine in den Jahren seit 2014 durch die täglichen Bombardements der Zivilbevölkerung im Donbass angerichtet hat. Wo ist da die Rechtfertigung für solche historischen Vergleiche?
Ich will Ihnen sagen worauf es hinausläuft: Bei der Verleihung dieses Preises geht es primär auch nicht darum, einen leidenschaftlichen "Text gegen den Krieg" zu ehren, "gegen dessen Brutalität und Barbarei", sondern es geht, wie Sie Sie richtig erkannt haben, darum, dass im Namen unserer Wertegemeinschaft die angeblich alleinigen "Verursacher dieser Leiden klar benannt werden". Dass der Autor des Buches das Geschehen aus seiner Sicht schildert, sei ihm unbenommen. Das hat Peter Handke ja auch getan und wurde dafür von genau den Leuten zur Hölle geschickt, die diesen Ansatz heute für gerechtfertigt halten. Und dort liegt der Hase im Pfeffer, ganz egal, wie man diese Autoren literarisch bewertet. Es geht um Doppelmoral und darum, dass der Friedenspreis politisch missbraucht wurde. Es gibt keinen "falschen Pazifismus" oder "Lumpen-Pazifismus", wie Sascha Lobo den Pazifismus nach Gutsherrenart an einer für seine Interessengemeinschaft falschen Stelle einordnet.
Dass Institutionen, die eigentlich dazu dienen sollten, ausgleichend zwischen den polarisierten Lagern zu wirken, im Sinne von Kriegsparteien funktionalisiert werden, das ist der eigentliche Skandal an dieser Buchpreisverleihung. Und dass das gesellschaftlich von politischen Interessengruppen nicht nur akzeptiert, sondern vorangetrieben wird – Gruppen, die sich moralisch auf der "anderen Seite wähnen" und dabei alles vergessen, was sie oder das, wofür sie stehen in den letzten Jahrzehnten an Brutalität und Barbarei in die Welt gebracht haben, Politiker und Medien, die keinen Widerspruch darin sehen, den Angriffskrieg der Russen zu verurteilen und den Journalisten, der die Bestialität der Morde der Angreifer im Irak öffentlich gemacht hat, in Belmarsh langsam sterben zu sehen, das ist der bigotte Hintergrund dieser Entscheidung, die an Selbstgerechtigkeit wieder einmal nicht zu überbieten ist. Da lobe ich mir doch den falschen Pazifismus, den es im richtigen Leben noch geben darf. (frei nach Adorno)

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (24.10.2022 16:34).

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