Wir reden hier von Kunst, von Literatur - nicht von einem Gerichtsverfahren. Ein Schriftsteller darf über das schreiben, was er für wahr hält - er muss keine Beweise dafür beibringen.
Zhadan schreibt über seine Wahrheit, wie er sie in Charkiw erlebt - mit allen (Hass)-Gefühlen, mit den (vielleicht falschen) Nachrichten, die er liest, aber auch mit dem "normalen" Leid des Alltags im Krieg, das nicht spektakulär genug ist um Niederschlag in den Nachrichten oder den Echokammern der sozialen Netzwerke zu finden.
Zhadan ist kein Journalist und erst recht kein Politiker. Seine Texte transportieren ein Bild der Ukraine und des Krieges, das man weder aus den scheinobjektiven, kalten Nachrichtentexten noch aus dem Marktplatz der Zeugnisse in den sozialen Medien in der rohen Form von Tweeds und Postings bekommen kann. Es ist eine subjektive, künstlerische Verarbeitung seiner Eindrücke und gerade deshalb vielleicht über den Tag hinaus "wahrer" als jede noch so sorgfältig recherchierte Nachricht.
Ob der Hass auf die Aggressoren, auf die Täter die einen mörderischen politischen Plan in die Tat umsetzen wirklich ein so fundamentaler Widerspruch zum Wunsch nach Frieden ist, das mag ein Franz Alt aus dem sicheren Deutschland anders bewerten als ein Zhadan in Charkiw, wo täglich Bomben einschlagen. Zhadans Hass richtet sich auf die Russen, die in der Ukraine massenhaft Menschen töten und diejenigen, die ihnen dafür applaudieren, nicht auf die Russen als Volk oder gar als "Rasse"- das ist ein völlig absurder Vorwurf. Und da bin ich bei eher bei Zhadan als bei Alt: diese Russen hasse ich auch und sie sollen für alles bezahlen, was sie angerichtet haben und noch anrichten werden. Sie haben aus niederen Motiven die Barbarei des Krieges wieder nach Europa gebracht und uns allen etwas weggenommen, was wir für selbstverständlich gehalten haben: den Glauben, dass wir uns vor Krieg nicht mehr fürchten müssen.
Ich finde es richtig, dass er den Preis bekommen hat. Er ist ein großartiger Poet, und der Hass, die Wut, die einen, wenn auch nicht sehr prominenten, Platz in seinen Werken hat, ist der Hass der Opfer auf die Täter, die ohne Reue und Einsicht weiter morden.