pkcp schrieb am 12.08.2022 07:26:
Dann hab ich dich falsch verstanden.
Du bist also schon der Meinung, dass, was richtig ist, durch Argumentation und Diskussion geklärt werden soll.
Dies gilt nicht nur für Wissenschaft, sondern auch für Moral und Recht.
Warum gibt es dann aber überhaupt Gewalt zwischen Menschen?
Für Wissenschaft gilt das alle Fälle, da geht es ja darum rauszubekommen, wie die Dinge funktionieren. Da kommt es dann schon drauf an, dass man das richtig erkennt und analysiert. Richtig dort die Bedeutung von: man hat es korrekt begriffen, man weiß, wie die Dinge funktionieren, welchen Gesetzmäßigkeiten die unterliegen.
Recht ist willkürlich. Beispiel §175 (https://de.wikipedia.org/wiki/%C2%A7_175). Da ändert sich die Bedeutung von "richtig" mit dem 11.06.1994. In den USA herrschte bis in die 1960 Jahre hinein die Rassentrennung. Ausgeprägter im Süden der USA moderater im Norden. Gesetzlich festgeschrieben (bis 1967), ist sie auch heute noch gelebte Praxis.
Hier haben wir den Übergang in die Moral und von der Moral ins Recht.
Moral ist nicht mehr als ein Imperativ, beliebig und sich andauernd ändernd. Die Moralvorstellungen der 50er Jahre wirken heute antiquiert (bei den meisten Menschen jedenfalls rufen die Belustigung oder Abscheu hervor). Über die gelebte Praxis hat sich die Moral verändert - man denke mal an die gleichgeschlechtliche Ehe, oder den vorehelichen Geschlechtsverkehr etc.. Die Menschen hatten mit Anfeindungen der übelsten Sorte zu kämpfen, irgendwann hat sich das entspannt, es wurde "normal", und hat dann meist auch Einzug ins Recht gefunden.
Richtig und Falsch sind bei Moral also immer temporäre Zustände, die sich mal langsam wandeln, mal schlagartig umschlagen. Und vor allem auch immer nur regional Gültigkeit haben.
Z.B. weil sie nicht ewig leben, man kann nicht jederzeit alles ausdiskutieren, man muss auch mal was machen. Da werden Menschen ungeduldig und wollen den anderen, ohne viel Drumherumgerede, ihre Weltauffassung aufzwingen.
Aber wenn wir drüber nachdenken (s.o.), merken wir, dass Gewalt im Prinzip schlecht ist.
Du argumentierst moralisch. Gewalt ist ein Mittel, nicht meins, aber es ist ein Mittel, anderen Menschen oder Staaten den eigenen Willen aufzuzwingen. Es funktioniert - und zwar überall dort, wo es nicht darauf ankommt, dass der Wille sich frei auf darauf beziehen muss. Also überall dort, wo ohnehin Herrschaft üblich ist.
In diesem Spannungsfeld haben wir bessere und schlechtere Rechtssysteme, bessere und schlechtere Methoden der Beziehung zwischen Staaten entwickelt.
Auch das ist moralisch argumentiert. Besser oder schlechter bezieht sich ja auf den Zweck, den man erreichen will. Rechtsysteme funktionieren für das jeweilige Interesse. Demokratie funktioniert nur dort, wo die Bürger einen positiven Bezug zum Staat haben, da wo er ihr Mittel ist, weil er mit seinem Recht die Bedingungen schafft, die sie für ihre Zwecke benötigen. Hierzulande braucht der Bürger einen Staat, weil er in lauter Gegensätzen unterwegs ist (Mietrecht, Arbeitsrecht, ...). Der Staat regelt die Interessenskonflikte zwischen den Bürgern, und zwar unparteilich.
In Afrika z.B. wird ein Großteil des Volkes gar nicht gebraucht, es stört in der Regel. Der Staat fällt dort oft zusammen mit Partikularinteressen, auch Clans genannt. Anders gesagt, der Staat ernährt den herrschenden Clan, und findet darin auch seine Bestimmung. Der Rest des Volkes hat keinen positiven Bezug auf den Staat, wie auch? Deswegen funktioniert dort Demokratie nicht. Es finden zwar Wahlen statt, die sind aber erstens meistens gefälscht, und führen zwar zu einer Regierung, aber nicht zu einem funktionierenden Staatswesen.
Unser parlamentarisch-demokratisches System gehört bestimmt zu den besseren - und wie lange hat es gedauert, wie viele auch fremde Menschenleben hat es gekostet, das zu haben!
Auch die UN ist, als Resultat des 2.Weltkriegs, immerhin schon mal eine verbesserte Version des Völkerbundes. Noch besser wäre es, wenn sie über eine Weltpolizei verfügte, die unrechtes Verhalten zwischen Staaten im Namen Aller ahndete. Denkbar ist das, warum nicht irgendwann auch machbar?
Es ist mühselig, all das zu erreichen, aber die kontinuierliche Verbesserung der menschlichen Existenz ist möglich.
Die Demokratie, wie du sie kennst und schätzt, ist auf dem absteigenden Ast. Die gesellschaftlichen Unterschiede werden immer größer, immer mehr Volk wird nicht mehr benötigt, wird von der Teilhabe ausgeschlossen und ist entsprechend darüber frustriert. Die sog. Wutbürger sind ein Ausdruck dieses Prozesses.
Die USA sind der Weltpolizist, aber eben nicht überparteilich. die USA haben eine Weltordnung installiert, die zwar die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Staaten verbietet, aber zum Nutzen der USA funktionieren soll. Das ruft natürlich Konkurrenten auf den Plan: Russland, China, Indien, EU. Gewaltfrei ist die Weltordnung auch nicht, eher ein brodelndes Fass voller Unzufriedenheit.
Der Ukraine Konflikt ist eine solche Verlaufsform.
Es wäre sinnvoller, sich mit den Gründen für die Differenzen zwischen Staaten auseinander zu setzen. Das ändert zwar praktisch auch nichts an denen, man weiß dann aber immerhin Bescheid.