Nehmen wir mal an, jedes Jahr stiegen die Löhne und Gehälter um 2%, dann sind Teuerungsraten von 2% kein Problem. Natürlich ist klar, dass die Arbeitsentgelte nur um den Inflationsbetrag ansteigen, aber der Arbeitnehmer (m/w) hat zumindest kein Minusgeschäft gemacht. Auch die Guthabenzinsen auf Sparbüchern haben mal ungefähr die Teuerungsrate ausgeglichen. Kann mich jedenfalls an die Zeiten erinnern, als es noch 2% auf Erspartes gab und damit eben die Inflation vollumfänglich kompensiert wurde.
Das war mal.
Heute haben wir keine homogene, also gleichmäßige Teuerungsrate. Zum einen schwankt die Inflationsrate innerhalb eines Jahres erheblich, so dass eine aufs ganze Jahr bezogene Teuerungsrate wenig aussagekräftig ist. Zum anderen - und das wiegt schwerer - gibt es unterschiedliche Teuerungsraten bei Gütern, Dienstleistungen und Entgelten.
Faktisch gilt: die Entgelt-Inflation ist sehr viel geringer als die mittlere Inflation im Jahr. Das bedeutet, dass die Lohn- und Gehaltserhöhungen, auch die tariflich Beschäftigter, die Teuerungsrate nicht mehr ausgleichen und die Arbeit als solche immer schlechter vergütet wird.
Es gilt auch, dass die Teuerungsrate insbesondere dort am größten ist, wo ein Konsumverzicht kaum möglich ist, z.B. bei der Stromversorgung, bei Gas oder bei Öl für die entsprechenden Heizungen. Auch Mieten steigen überdurchschnittlich stark an. Der Fixkostenanteil in deutschen Haushaltsplänen sind überdurchschnittlich hoch im europäischen Vergleich. Und auch die Immobilienpreise sind enorm angestiegen - teilweise beträgt die Teuerungsrate mehr als 70% - pro Jahr. Immobilienerwerb ist für Normalverdienende unfinanzierbar geworden.
Auch bei Nahrungsmitteln gibt es eine eigene Teuerungsrate, die teilweise auch mehr als 10% erreicht im Vergleich zum Vorjahr.
Seit der Euro-Einführung hat die "Zurückhaltung" bei den Erwerbsentgelten dazu geführt, dass real die Kaufkraft um bis zu 50% abgenommen hat. Die tatsächliche Teuerungsrate ist also sehr viel höher als die Lohnzuwachsrate aus Tarifverhandlungen und eigenen Gehaltsverhandlungen.
Moderat bis zurückhaltend ist also die Zuwachsrate bei Gehältern und Löhnen, während die Teuerungsrate bei Waren und Dienstleistungen stark angezogen hat und obendrein auch noch inhomogen auf Zeit und Leistung verläuft. Das sorgt am Ende für eine chronische Verarmung der Bevölkerung - zusätzlich zum dank Agenda 2010 eingerichteten Billiglohnsektor, der eine breite soziale Unterschicht geschaffen hat, die es vor der Schröder-Ära in der Form nicht gab.