Dr. Wendekreis schrieb am 04.08.2022 17:05:
Pearphidae schrieb am 04.08.2022 16:15:
Die Gas-Lieferverträge mit Russland haben teilweise eine Laufzeit bis 2036:
Eben. Und wir sagen ja offen, dass wir nicht die Absicht haben noch bis 2036 Gas aus Russland zu beziehen. Mit anderen Worten wir sagen denen ins Gesicht, dass wir diese Verträge brechen wollen. Klar wollen sie eine schriftliche Abnahmegarantie. Würde ich auch verlangen und solange nichts mehr liefern.
Russland garantierte 1994 die Souveränität der Ukraine. Sobald sich Interessenlagen ändern, scheinen auch sämtliche internationale Verträge hinfällig zu sein.
Bis dahin fließt noch viel Wasser die Flüsse hinunter und kann sich die politische Landschaft noch etliche Male ändern.
Russland kann sich also gelassen zurück lehnen und die Panikreaktionen der aktuellen Regierung gemütlich aussitzen bis irgendeine eine neue Regierung wieder eine andere Richtung einschlägt.
Das wollen sie nun mal aber nicht riskieren. Wie schon gesagt Gasförderung ist mit großen Investitionen verbunden. Sie brauchen eine gewisse Planungssicherheit da können die nicht einfach sich darauf verlassen, dass die nächste Regierung doch wieder russisches Gas bis zum Ablauf der Verträge beziehen will. Sie bohren jetzt also lauter neuer Borlöcher um uns mit Gas zu versorgen und wir steigen nächstes Jahr einfach aus. Sie bleiben auf ihren Kosten sitzen.
Gazprom kann nur an Langzeitverträgen und deren Einhaltung interessiert sein. Im Gegenzug für langfristige Abnahmegarantien bieten sie schließlich auch einen unschlagbaren Preis. Ungefähr 1/10 von dem Preis auf dem freien europäischen Markt.
Das grenzt an Betrug wenn wir kurzfristig günstig Gas kaufen wollen um hinterher nichts mehr von langfristigen Abnahmegarantien wissen wollen. Wenn wir nur kurzfristig Gas brauchen, dann können wir es zum entsprechenden Preis auf dem europäischen Spotmarkt beziehen.
Verträge sind immer vom beiderseitigen Verhalten abhängig. Wenn Russland plötzlich die Ukraine überfällt und durchblicken lässt, wenn möglich ganz Europa vereinnahmen zu wollen, kann es nicht gleichzeitig verlangen, die bestehende Abhängigkeit so zu belassen wie sie ist. Russland hat unser Vertrauen verspielt und wird es so schnell nicht wieder erlangen.
Und es ist nicht so, dass das geförderte Gas ausschließlich in die Leitungen nach Europa strömt, sondern es kann über Verteilerstationen auch woandershin geleitet werden. Es ist sogar möglich dass Putin derzeit deswegen so wenig an uns liefert, weil er das Gas zu einem für ihn besseren Preis woandershin abgeben kann. Er braucht schließlich Geld für seine Kriegskasse.
Kurzfristig hat uns Putin mit dem Gas in der Hand, langfristig hat er das Nachsehen, weil jetzt alle anderen zwar das günstige Gas aus Russland in jeder gewünschten Menge kaufen können, weil ja fast nichts nach Europa geht, aber die Kapazitäten dieser Leitungen sind begrenzt und kein Land wird jemals wieder auf eigene Kosten eine Leitung nach Russland bauen und immer darauf achten, dass russisches Gas nur einen unbedeutenden Anteil am Gesamtbedarf liefert. Keiner möchte jemals in der gleichen Falle sitzen wie wir gerade.