venice12 schrieb am 06.05.2019 08:07:
warum es die Palästinenser nicht irgendwann einmal konsquent mit passivem Widerstand versucht haben?
Das Problem der palästinensischen Sache ist doch, dass es keinerlei Einigkeit gibt. Ein paar praktisch harmlose Raketchen ohne grosse Wirkung zu verschiessen benötigt lediglich ein paar Dutzend Menschen, die sich gerade mal für ein Weilchen zusammentun. Ähnlich sieht es mit anderen Aktionen aus.
Ein geschlossener, gewaltfreier Widerstand hingegen würde bedeuten, dass die ganze palästinensische Gemeinde an einem Strang ziehen müsste. Das ist praktisch ausgeschlossen, denn es gibt da nun mal sehr verschiedene Grüppchen, von ganz extrem bis zu ganz moderat, die sich untereinander auch noch spinnefeind sind. Und mittendrin steht natürlich auch noch Israel, das diese Zerwürfnisse auch noch aktiv befeuert (es ist ja ein offenes Geheimnis, dass Israel z.B. damals die Gründung der Hamas als Gegenpol zur PLO aktiv unterstützte).
Sprich: In Palästina fehlt nicht nur eine Integrationsfigur, sondern ganz allgemein der Wille zu koordiniertem Handeln. Man ist sich ja nicht mal in den Hauptzielen einig: Geht es primär darum, überhaupt einen palästinensischen Staat zu haben? Oder geht es darum, die Juden aus der Region zu vertreiben? Oder alles egal, hauptsächlich steinzeitislamistisch? Also tut man alles halbherzig. Man hat einen Staat Palästina gegründet, ja, und ja, Israel hintertreibt die ganze Sache, aber man gibt sich auch nicht wirklich Mühe, ihn zum Rennen zu kriegen. Man verteidigt sich gegen die israelische Besatzung mit Waffengewalt, ja, aber man beschränkt sich auf unkoordinierte Nadelstiche, die mehr Schaden als Nutzen für die palästinensische Sache (eben, welche eigentlich?) bringen.
Um einen gewaltlosen Widerstand im Stile Gandhis zu organisieren müsste man also zuerst mal die Unmöglichkeit schaffen, die diversen Grüppchen mit unterschiedlichen Zielen und unterschiedlichen Vorstellungen, wie diese Ziele zu erreichen sind, dazu bringen, an einem Strang zu ziehen. Und ein einziges ausscherendes Grüppchen kann mit einer einzigen Rakete das ganze zum Scheitern bringen - und wird es erfahrungsgemäss tun. Notfalls werden ein paar Israelis selbst ein Raketchen abschiessen, um eine neue israelische Gewaltorgie zu rechtfertigen.
Zur Aufmerksamkeitsökonomie hat ja RP schon etwas geschrieben: Ein gewaltloser Widerstand setzt voraus, dass es überhaupt jemanden interessiert, was mit den Widerständlern geschieht. Nicht mal das ist mit Sicherheit gegeben. Man sieht es ja auch im vorliegenden Fall wieder: Noch einseitiger Pro-Israelisch kann man sich eine Berichterstattung ja eigentlich nicht vorstellen.