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  • Jens Niestroj

131 Beiträge seit 23.07.2023

Nahostkonflikt und die Reaktionen des Westens

Sich nie an die unsagbare Gewalt und gewöhnliche Ungleichheit des Lebens um sich herum gewöhnen.
Freude auch an den traurigsten Orten suchen.
Die Schönheit bis in ihren Kern verfolgen.
Nie vereinfachen, was kompliziert ist,
und nie verkomplizieren, was einfach ist.
Stärke respektieren, aber niemals schiere Macht.
Vor allem aber hinschauen. Versuchen, hinter die Dinge zu schauen.
Nie den Blick abwenden.
Und niemals vergessen.

Arundhati Roy

Der Staat Israel ist seit seiner Gründung bedroht. Daher werden starke Männer (Frauen so weit ich weiß nicht) / Kriegshelden / Generale benötigt, denen die Führung des Staates übertragen wurde. Diese Herrschaften sind aber grundsätzlich offen für militaristisches und rechtsradikales Denken.
Das Problem ist nun, dass diese Führungskräfte an Kompromissen / Frieden kein Interesse haben, weil sie im Friedensfall arbeitslos wären bzw. erheblich an Macht und Einfluss verlieren würden. So wehrte der „Spaziergang“ Scharons im Jahr 2000 den zarten Frühlingshauch der Jahrtausendwende ab.
Weiterhin bleibt festzuhalten, dass Besatzung die Besatzungsmacht korrumpiert und die Gesellschaft extrem negativ beeinflusst. Und Israel ist Besatzungsmacht, allerdings ohne die Pflichten einer Besatzungsmacht einzugehen. Man lese einmal die Berichte der Refuznik über die Gründe, warum diese keinen Wehrdienst in den besetzten Gebieten leisten wollen.
Dieser oben angerissene Problemkreis „Bedrohung“, „rechtsradikale Führungskräfte“ und „Besatzung“ sind aber hauptsächlich ein Problem der Menschen in Israel. Und natürlich der unter der Besatzung leidenden Menschen in den Palästinensergebieten. Diese Probleme müssen ohne Moralisieren aus dem Ausland Vor-Ort gelöst werden, wir können dabei nur dann helfen, falls wir gefragt werden.

Schaue ich mir aber die Reaktionen unserer Presse und Regierungen in Europa zum Überfall der Hamas auf Israel an, möchte ich die Darstellung von Regierung und Presse schon kommentieren, weil diese Reaktionen bezüglich unseres eigenen Selbstverständnisses tief blicken lassen. Gewalttätigkeit und Krieg, menschliches Leid sind universell. Wenn ich anderen Menschen das Menschsein abspreche (wie der israelische Verteidigungsminister und Teile unserer Presse), dann wird eine Grenze überschritten, die mindestens eines Kommentars durch unsere Regierung und durch Teile unserer Presse würdig ist.
Aber offensichtlich glauben Presse und unseren Regierungen, es sei angesichts der Verbrechen der Hamas legitim, auf diese mit noch größeren Verbrechen zu antworten. Ein ermordeter Zivilist bleibt aber ein ermordeter Zivilist, egal welcher Herkunft er oder sie ist. Und Kriegsverbrechen bleiben Kriegsverbrechen, unabhängig davon, wer sie begeht. Dass dies von Presse und Regierungen nicht so gesehen wird, ist sehr beunruhigend.
Dies alles mit dem Schock des Angriffs der Hamas zu verklären, führt auch nicht weiter – im Gegenteil. Was sind humanitäre Grundsätze wert, wenn sie in Krisenzeiten (wobei dies für Europa noch nicht einmal zutrifft) über Bord geworfen werden. Humanität als Schönwetterbekenntnis ist mir dann doch zu dünne.
Falls man mir jetzt Naivität vorwirft, der die brutale Realität der „Terroristen“ nicht sieht, lautet meine Antwort: siehe oben. Denn was steckt implizit in dem Vorwurf der Naivität. Dass eine Hunger- und Trinkwasserblockade gegen über 2 Mio. Menschen, dass Luftangriffe auf dicht besiedelte Räume zulässig seinen, weil... Ja warum eigentlich? Weil die 2 Mio. alles Terroristen sind? Oder deren Sympathisanten? Auch die Säuglinge? Unterschiedslos? Oder weil man der Ansicht ist, bei Palästinensern oder auch nur bei Hamas Anhängern handele es sich nicht um Menschen?

Man, man, man, wo sind wir nur hingekommen...

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