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  • lilywhite

mehr als 1000 Beiträge seit 19.03.2003

Kompliment, Herr Zurawski. Einer der besten TP-Artikel seit langem.

"Es sei gefährlich, so Goetsch, einen Stadtteil zu stigmatisieren,
von dem man überhaupt kein Wissen habe. Aber genau das ist, was
Menschen immer wieder tun -wir alle und zwar ständig. Es gehört zu
unseren Orientierungsleistungen in der Welt, die niemals auf einer
vollständig durch eigene Erfahrungen geprägtem Wissen beruhen,
sondern die Welt auf interpretative Weise anschlussfähig an unsere
eigene Welt machen."

Genau das ist der Punkt, den auch die Diskussion um sogenannte
"no-go-areas" in Ostdeutschland wieder einmal mit Bravour unter
Beweis stellte. Da ist von "rechten Gestalten" die Rede, die beim
Fahren durch Ostdeutschland an "Trinkhallen gesichtet" werden, bei
deren Anblick man sich "gar nicht erst traut, auszusteigen, sondern
schnell durchfährt".
Diese ganze Debatte beruht auf eben dem, was Zurawski hier wunderbar
herausstellt: selektiver Wahrnehmung, die durch solche öffentlichen,
interessensgesteuert geführten Debatten noch verstärkt wird. Man
"weiß", ohne eigentlich jemals den Versuch gemacht zu haben, aktiv
auf Basis eigener Erfahrungen Wissen zu erlangen.

Die Zahlen rechtsextremer Gewalt sind laut Statistik kaum nennenswert
gestiegen, in manchen Bereich sind sie sogar gesunken - und trotzdem
wird das Thema schlicht aufgrund zeitnaher Ereignisse sinnlos
aufgeblasen und keiner weiß eigentlich, welchen Zweck das erfüllen
soll, außer vielleicht den, einigen Lobbygruppen als Sprachroht zu
dienen. Dabei werden innergesellschaftliche Kluften wiederbelebt und
vertieft. Es scheint, als folge hier eine Kampfdebatte in logischer
Konsequenz auf die nächste: da hätten wir zunächst den
"Integrations-Streit" um kriminelle Ausländer und Einwanderungsstop,
nun möchte die "Deutschland-versinkt-im-Rechtsextremismus-Fraktion
auch gerne mal Dampf ablassen.
Dabei geraten die wirklichen Probleme schleichend in den Hintergrund
- armes Deutschland.
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