Warum gibt es eigentlich nur noch "Narrative",
aber kein Interesse mehr an der tatsächlichen Realität,
auch wenn diese eben nicht so schön einfach "schwarz-weiss" ist?
Auch wenn die Frage vermutlich so ernst nicht gemeint war...
Ich denke, es ist ein systemischer Konstruktivismus, der sich mehr und mehr im Denken breit macht. Es fehlt nicht an dem Interesse an der tatsächlichen Realität, sehr wohl aber an der Ansicht, dass man sie überhaupt erkennen könne. D.h. der Rückzug auf den Begriff des "Narrativs" kann (wenn er von der eigenen Weltanschauung unterfüttert ist) ein Eingeständnis sein, dass man mehr gar nicht haben kann als nur die je eigene, konstruktivistisch konstruierte Wahrnehmung der Wirklichkeit, die dann in jedem Dialog zwangsläufig zum "Narrativ" wird: ich gebe wieder (bzw. "erzähle"), wie ich mir meinen Zugang zur Wirklichkeit konstruiert habe. Es kann genausogut aber auch eine gewisse "Feigheit vor dem Feind" sein, weil man sich jederzeit darauf hinausreden kann, man habe es sich halt gerade mal nicht besser konstruieren können. Oder ist ist - wie hier - vor allem ins aggressive gewendet die Behauptung, der "Gegner" könne die Wirklichkeit ja auch nur konstruiert haben, und zwar unzulänglich.
Der Konstruktivismus löst an dieser Stelle also ein Stück weit schon das "schwarz-weiß-Problem", insofern er eingesteht, daß eine Sicht von außerhalb der Dinge niemandem zugänglich ist, der in die Dinge verwickelt ist. Er erlaubt dadurch aber zugleich eine Diffusität, die ein Pochen auf eine harte Wirklichkeit nicht zulässt, ein wachsweiches "ich mein' ja nur" und ein Ausweichen vor Härten, die es zwar gibt, die man aber eigentlich lieber gar nicht konstruiert hätte...