c.renée schrieb am 26.12.2020 05:31:
Ohne Armut funktioniert das System nicht mehr, von der (oder der Drohung damit) kommt doch die Arbeitenmüssenfixierung. Natürlich haben die meisten das so internalisiert, dass ihnen der Zusammenhang nicht mehr bewusst ist, oft jedoch latent vorhanden. Das andressierte "Pflichtbewusstsein" lässt sie jedoch allergisch reagieren, wenn man ihnen erzählt, dass die notwendige Arbeitszeit auf weniger als 1/4 reduziert werden könnte ohne die zum Systemerhalt vergeudete.
:-|
Auf jeden Fall, aber die Internalisierung hat eine jahrhundertealte Geschichte, die nach oben schon angesprochenem Robert Kurz (bzw. krisis) tief wurzelt in christlicher Leidensmetaphorik (ca. min. 13 im folgend verlinkten Video), die von der Arbeiterbewegung (ca. ab min. 23) absorbiert wurde, obwohl von Marx schon kritisiert (ca. min. 30) u.a. als fetischistischer Selbstzweck (ca. min. 38-43) und Prostitution.
Ab ca. min. 50 wird es dann spannend, weil Kurz von der Kritik der abstrakten Arbeit zu der der konkreten Arbeit übergeht.
Die Tonqualität des Videos ist leider unterirdisch:
https://www.youtube.com/watch?v=XFzo1o4Pnvc
Als schriftlicher Grundlagentext für alle, die lieber lange lesen als lange zuhören:
https://www.krisis.org/1999/manifest-gegen-die-arbeit/
aus Kapitel 6:
"Die politische Linke hat die Arbeit immer besonders eifernd verehrt. Sie hat die Arbeit nicht nur zum Wesen des Menschen erhoben, sondern sie damit auch zum vermeintlichen Gegenprinzip des Kapitals mystifiziert. Nicht die Arbeit galt ihr als Skandal, sondern bloß ihre Ausbeutung durch das Kapital. Deshalb war das Programm sämtlicher „Arbeiterparteien“ auch immer nur die „Befreiung der Arbeit“, nicht aber die Befreiung von der Arbeit. Der soziale Gegensatz von Kapital und Arbeit ist aber bloß der Gegensatz unterschiedlicher (wenn auch unterschiedlich mächtiger) Interessen innerhalb des kapitalistischen Selbstzwecks. Der Klassenkampf war die Austragungsform dieser gegensätzlichen Interessen auf dem gemeinsamen gesellschaftlichen Boden des warenproduzierenden Systems. Er gehörte der inneren Bewegungsdynamik der Kapitalverwertung an. Ob der Kampf nun um Löhne, um Rechte, um Arbeitsbedingungen oder um Arbeitsplätze geführt wurde: seine blinde Voraussetzung blieb stets die herrschende Tretmühle mit ihren irrationalen Prinzipien."
Oder aber auch für schnell mal in der Pause zu konsumieren:
die Krupps hatten dieser quasi masochistischen Tendenz des "automatischen Subjekts" schon 1981 ein kurz und knappes Denkmal gesetzt:
https://www.youtube.com/watch?v=6hF7NQ7YKqg
"Meine Muskeln sind Maschinen
Sehnen stählern, Schweiss wie Öl
Schmutz und Dreck ist wahre Arbeit
Schmerz und Tadel wahrer Lohn."
Und die Pop Group (ähem, der Name täuscht ziemlich!) schon 2 Jahre vorher der systematischen Gesamtprostitution:
https://www.youtube.com/watch?v=An6rFrIc1sc
"We are all prostitutes
Everyone has their price
We are all prostitutes
Everyone has their price
Everyone!
And you too will learn to live the lie
And you too will learn to live the lie
And you too will learn to live the lie
Everyone has their price"
Na jedenfalls trotz der Ohrenattacke:
Schöne (hoffentlich) freie Tage!
Edit: ach ja, fast vergessen, die Krupps haben das Thema mehr als 30 Jahre später wieder aufgegriffen, jetzt mit einer Perspektive verbunden:
https://www.youtube.com/watch?v=jvyOp1_mFDs
2nd Edit:
Gibt's hier eigentlich EhNickma noch oder ein Nachfolgemodell? Der hat mich zu dem Thema ja mal derart kaborkisch bescheisshausfliegenbrummt, dass es mir davon immer noch in den Ohren summt:
https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Ein-ganzes-System-des-Schwindels-und-Betrugs/Jetzt-hast-Du-mich-echt-erwischt-Zuletzt-lach-ich-trotzdem/posting-30727233/show/
Womit jetzt nach Jahren seine damalige Frage wohl auch endgültig beantwortet sein sollte und das Summen vielleicht endlich mal aufhört.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (26.12.2020 13:24).