Ich_weiss_es_doch schrieb am 14.08.2022 13:16:
Dass damit allerdings hierzulande sich dennoch so einige ködern lassen, ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Gerade nachdem die Menschen in Deutschland über Jahre hinweg mit plumper Propaganda zu Afghanistan belogen wurden, ist es schon erstaunlich, wieviele doch weiterhin dafür anfällig sind.
Das hat hierzulande eine lange Tradition:
"Ein anderer Parlamentarier sprach vom »heiligen Krieg«, der ohnehin irgendwann »zwischen der Kultur des Westens und der Barbarei des Ostens« ausgetragen werden müsse (Wollstein 1977: 303). [ 41 ] Ein weiterer erklärte: »Wenn es je zum Kriege kommen sollte, dann käme es zu einem Kriege zwischen Deutschen und Slaven« (RfdN, Bd. 4: 2779). [42 ] Heinrich von Gagern schrieb im Rückblick über die Periode der bürgerlichen Revolution:
Der Krieg mit Rußland – um der Ostsee und der Ostseeprovinzen willen – um Polens – um der Donau und der orientalischen Verhältnisse … war der populärste durch ganz Deutschland (zit. n. Valentin 1977, Bd. 1:544).
Bakunin berichtete, »das sinnlose Geschrei der Deutschen gegen die Slawen« sei 1848/49 am lautesten im Frankfurter Parlament zu vernehmen gewesen. Dies hätte nichts mehr mit Demokratie zu tun gehabt, sondern sei »der Ruf des deutschen nationalen Egoismus« gewesen. Die Deutschen seien seit langem gewohnt gewesen, die »Slawen« als ihre Leibeigenen zu betrachten und verträten die Auffassung, sie müßten jene »unter dem Stock halten«, um sie zu disziplinieren (zit. n. MEW 18: 609). Bakunin bemerkte:
In diesem Haß gegen die Slawen, in dieser Slawenfresserei waren sich sämtliche Parteien (1848/49) ausnahmslos einig; … am lautesten schrieen die Demokraten gegen die Slawen: in Zeitungen und Broschüren, in Parlamenten und Volksversammlungen, in den Klubs, den Bierkneipen und auf der Straße… Es war ein solcher Lärm, ein so unaufhörlicher Sturm, daß die Slawen, wenn das deutsche Geschrei
jemanden töten oder beschädigen könnte, schon längst allesamt umgekommen wären (Bakunin 1973: 137 f.).
Den Hass auf Rußland bezeichnete Bakunin als eine »der stärksten Nationalleidenschaften Deutschlands« (zit. n. MEW 18: 613).
Die Redebeiträge der Paulskirchenversammlung dokumentieren, wie sehr eine angebliche »slavische Gefahr« als Bedrohung der deutschen Kultur und der deutschen Wirtschaftskraft betrachtet wurde. Sechs Jahrzehnte später wurde diese Gefahr zum Begründungsmuster für die angebliche Notwendigkeit des Ersten Weltkrieges (Lammich 1978: 3, 5)."
https://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/thoerner-suedosten_lp1/
"Die Auffassung, daß die Natur die ›Slawen‹ zu Sklaven und Knechten, nicht aber zu Herrschern bestimmt habe, war im Deutschland des 19. Jahrhunderts weit verbreitet. Dabei wurden immer wieder angeblich deutsche Tugenden wie ›Zucht‹, ›Ordnung‹, ›Disziplin‹, ›Fleiß‹, ›Gewerbesinn‹, ›Handlungsfreudigkeit‹ und ›Organisationstalent‹ vermeintlich ›slawischen‹ Eigenschaften wie ›Trägheit‹, ›Unbeständigkeit und Schwäche‹, ›lässiges und wüstes Treiben‹ und ›Mangel an Initiative‹ gegenübergestellt. Hinzu kam die bereits erwähnte Vorstellung, daß die ›Slawen‹ gleichsam von der Natur zum Ackerbau bestimmt seien und zur besseren Erfüllung dieser Aufgabe von Deutschen erzogen werden müßten. All dies kulminierte in der Antithese von dem ›sklavischen Slaven‹ und dem ›deutschen Herrenvolk‹ (Lammich 1978: 19 f., 32 ff.).
Noch eine Stufe unter den ›Slawen‹ im Allgemeinen standen im deutschen Bewußtsein die als ›halbasiatisch‹ bezeichneten Russen, denen im Gegensatz zur übrigen Bevölkerung Ost- und Südosteuropas selbst die Fähigkeit zur Rezeption von Kultur und Zivilisation abgesprochen wurde. Mit seinem »stark ausgeprägtem nomadischen Zug« sei »der Russe« nicht einmal als Ackerbauer zu gebrauchen (Die Grenzboten, Nr. 3/1866: 226). Er erschien in deutschen Schriften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder als »gieriger, blutrünstiger, eroberungssüchtiger und fanatischer Barbar«, der nach Asien zurückgedrängt werden müsse (Lammich 1978: 97 ff.).
...
Frantz plädierte für einen Präventivkrieg gegen Rußland, um es in Richtung Asien zurückzudrängen (Droz 1960: 121)."
https://www.ca-ira.net/verlag/leseproben/thoerner-suedosten_lp2/
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (14.08.2022 19:06).