Erstmal eine Verständnisfrage: warum verwechseln wir eigentlich Konsum mit Wohlstand?
Konsum ist per Definition erst einmal "Verbrauch". Wenn ich etwas verkonsumiere, verbrauche ich etwas. Eine Konsumgesellschaft ist eine Verbrauchsgesellschaft. Sie steht im Gegensatz zur Wohlstandsgesellschaft: hier steht nicht der Konsum im Mittelpunkt, sondern die Investition. Der Erwerb eines Geräts, etwa einer Küchenmaschine oder einer Waschmaschine mehrt das Haushaltsvermögen, je länger das Gerät bei sachgemäßer Verwendung in Gebrauch ist. Die Investition hierbei liegt nicht im Gerät an sich begründet, sondern in der Lebensdauer des Geräts - je länger es funktioniert, desto später muss es ersetzt werden und desto geringer wird der Preis pro Nutzung. Je länger etwas funktioniert, desto günstiger wird es auch.
Warum ich das sage? Weil es nötig ist für die Erkenntnis: um "ewigwährendes" Wirtschaftswachstum zu erzwingen, wurde "still und leise" die Wohlstandsgesellschaft transformiert zur Konsumgesellschaft. Im Mittelpunkt steht nun nicht mehr die Investition in langlebige Produkte, sondern es soll möglichst häufig nachgekauft und ersetzt werden. Konsum dient bei früher langlebigen Produkten heute oft nur noch der Wiederbeschaffung oder Versionspflege (und intakte, aber "veraltete" Produkte werden entsorgt). Einen Investitionscharakter ist nicht erkennbar, wenn die meisten Güter und Produkte zwei, höchstens drei Jahre Lebensdauer haben, bevor sie ersetzt werden müssen.
Konsum macht arm! Natürlich gibt es Dinge, die sich nur verkonsumieren lassen (Nahrungsmittel, Getränke, elektrische Energie usw usf). Die dienen aber auch nicht der Wohlstandsmehrung in einem Haushalt - dafür muss investiert werden, und zwar in die Lebensdauer der Geräte und Güter. Solche Produkte werden aber kaum noch angeboten.
Was kommt als nächstes? Die Märkte sind erschöpft, die Kaufkraft schwindet und die Lebenszyklen der ehemaligen Investitionsprodukte sind schmerzhaft verkürzt worden. Neue Märkte lassen sich nicht mehr erschließen, auch wenn die Erdbevölkerung noch immer anwächst: die meisten Menschen sind halt weiterhin zu arm, um am Konsum teilnehmen zu können. Also ist irgendwo das Ende des Wachstums erreicht, auch durch Kannibalisierungseffekte (feindliche Übernahmen kleiner Unternehmen durch Großkonzerne). Und jetzt wird auch noch die Energieversorgung infrage gestellt und zum Inflationstreiber No 1.
Also. Wohin darf das Wachstum noch gehen? Die nächste Transformation steht jedenfalls an: weg vom Konsum, hin zum Sharing. Dabei ist die Sharing-Gesellschaft nicht nur das logische Extrem der Konsumgesellschaft - nur dass jetzt niemand mehr etwas kaufen "muss", sondern nur noch mietet, um "Zugriff" darauf zu erhalten. Erstmal logisch, man könnte ja Ressourcen sparen. Gleichzeitig ist das Mieten für den Endverbraucher die mit Abstand ungünstigste Möglichkeit, Geld auszugeben: man konsumiert eine Dienstleistung und erhält dafür stundenweise Zugriff auf etwas, was einem nicht gehört mit (im ungünstigsten Falle) Risiko des Eigentümers im Schadfalle.
Die Sharing-Gesellschaft ist auch das logische Extrem dessen, was wir aus der Softwarebranche bereits kennen: statt die Software zu "kaufen", erwerben wir nur eine "eingeschränkte Nutzungslizenz". Und selbst die ist inzwischen nicht mehr profitabel genug, deshalb geht es in Richtung "Software as-a-service". Warum Windows-Nutzungs-Lizenzen verkaufen für 250,- Euro auf potentiell 10 Jahre Nutzungsdauer, wenn Microsoft auch für 50,- Euro im Jahr Windows-365-Lizenzen verkaufen kann und nun, solange das Windows verwendet wird, weiterverdienen kann? Nebeneffekt: der Nutzer denkt, 50,- Euro sind ein fairer Deal, auch wenn nach 10 Jahren Nutzungsdauer dann 500,- Euro ausgegeben worden sind, statt 250,- Euro beim Sofortkauf. Die Mehrheit scheint das zu wollen.
Das Wirtschaftswachstum basiert nun fast vollständig auf Dienstleistungen (as a service). Die Kontrolle, wer etwas nutzen kann und wer nicht und in welchem Umfang liegt nun beim Anbieter der Dienstleistung. Und mit den Dienstleistungen lassen sich relativ "harte" Preissteigerungen realisieren abhängig vom tagesaktuellen Bedarf. Viele Nachfragen treiben dann den Preis. Und man kann auch künstlich das Angebot drücken, um die Preise weiter zu treiben. Der ultimative Traum des Kapitalisten also: man verkauft nur noch die Nutzungsberechtigung eines Gutes, nicht aber das Gut selber und kann es so vielfach monetarisieren. Und das Wirtschaftswachstum geht (erstmal) weiter - und wurde auch noch grün angestrichen.
Die Realität ist aber leider dann diese, dass in der Sharing-Gesellschaft auch niemandem irgendwas gehört, als einer kleiner besitzenden Klasse, welche die Dinge eben vermietet. In dieser Gesellschaft sind alle, die nichts haben, abhängig von denen, die etwas haben und "sharen" können.
Ich lehne diese Gesellschaftsform ab und plädiere eindringlich für ein Ende der wachstumsgetriebenen Wirtschaft. Wir müssen zurückkehren zur Wohlstandsgesellschaft im Sinne der obigen Beschreibung; Wohlstand durch Investition in langlebige Produkte. Die Langlebigkeit wird unterstützt durch Reparierbarkeit und Upgradepotentiale über Module oder Austauschbauteile. Selbstverständlich müssten dann, wie früher auch, Schaltpläne und Konstruktionszeichnungen beigelegt werden. "Früher"? War in den 80ern und 90ern durchaus noch normal. Erinnert sich noch jemand an die "Fernsehtechniker", welche Fernseher auch reparieren konnten? Oder an den Waschmaschinenservice? Diese Dinge sind faktisch ausgestorben, weil Reparaturen teurer sind als Neukauf.
Für mich als Angestellter im produzierenden Gewerbe bedeuten sowohl die Sharing-Gesellschaft als auch die Rückkehr zur Wohlstandsgesellschaft Arbeitsplatzverlust. In beiden Fällen wird sehr viel weniger produziert werden. Die Wohlstandsgesellschaft eröffnet aber Chancen trotz stagnierend-rezessiver Wirtschaftslage, die Sharing-Gesellschaft dagegen treibt massenhaft Menschen in die Abhängigkeit weniger Sharing-Anbieter.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.03.2022 16:15).