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  • Stephan Schleim

mehr als 1000 Beiträge seit 27.01.2005

Antwort an Konrad Lehmann: Hat Software intentionale Prozesse?

Lehmann schreibt in seiner Antwort auch über das Problem der Intentionalität, mit anderen Worten, das Problem, dass sich manche Prozesse auf etwas beziehen. Wie ich schrieb, ist Intentionalität eines der wesentlichen Merkmale geistiger/mentaler/psychischer Prozesse:

Was ist denn, je nach Vorliebe der (Fremd-) Sprache, Geistiges, Mentales (von lat. mens) oder Psychisches (von gr. Psyché)? Eben dasjenige, das sich auf etwas bezieht, in der Fachsprache: intentionaler Gehalt. Der Gedanke an ein Auto, genauer gesagt der gedankliche Prozess als etwas sich in der Zeit Vollziehendes, bezieht sich eben auf dieses Auto.

Lehmann erwidert nun:

Offen gestanden habe ich als Nicht-Philosoph nie recht verstanden, worin dieses Problem überhaupt bestehen soll. Wahrscheinlich ist der folgende Einwand sehr dumm (denn Philosophen sind es gemeinhin nicht), aber trotzdem: Die Variablen in jeder Software zur Lagerverwaltung und Buchhaltung beziehen sich auf die materiell vorhandenen Posten im Lager. Schreiben wir dem Programm deswegen "Bewusstsein" oder "mentale Prozesse" zu? Vorbehaltlich der offensichtlichen Möglichkeit, dass ich etwas Wichtiges nicht verstanden habe, halte ich das Problem der Intentionalität daher für prinzipiell physikalistisch lösbar.

Wir müssen nicht erst Software bemühen; ich kann auch mit einem Stift die Zahl 4 auf einen Zettel schreiben und sagen, dass sich diese Zahl auf die Anzahl der Geräte mit Internetverbindung in meinem Zimmer bezieht. Hat der Zettel darum intentionale Prozesse, also "Geist"? Wahrscheinlich nicht.

Ich hätte genausogut auch schlicht ein X auf den Zettel malen können oder irgendein Symbol und sagen können: Dieses steht für die Anzahl der Geräte. Diese Bedeutung wird aber doch durch mich (wohl ein Wesen mit psychischen Prozessen) in die Welt gelegt!

Und ebenso verhält es sich auch mit der Lagerverwaltungssoftware: Ob sich deren Symbole auf Schuhkartons oder Kartoffelsäcke auf Legosteine oder was auch immer (oder auch rein gar nichts) beziehen, ist für die Software völlig egal; wir legen die Bedeutung fest als Programmierer und Menschen, die die Software für unsere Zwecke entwickeln beziehungsweise verwenden.

Herr Lehmann schreibt nun, das Problem der Intentionalität (mit anderen Worten: der Bedeutung psychischer Prozesse) könne prinzipiell physikalisch gelöst werden. Also bitte, lösen Sie es!

Ich mache Ihnen das Angebot, das es nicht gleich für die Software knacken zu müssen, sondern für das viel einfacherere Zettelbeispiel:

Wie kann es also sein, dass sich die Moleküle der Farbpartikel auf dem Zettel in ihrer Gesamtheit auf die Anzahl der Geräte mit Internetzugang in meinem Zimmer bezieht? Und bitte, verwenden Sie für Ihre Erklärung ausschließlich physikalische Begriffe; immerhin haben Sie ja gesagt, das sei möglich.

Und nebenbei: Vielleicht gibt es künstliche Systeme mit geistigen/mentalen/psychischen Prozessen – oder wird es diese eines Tages geben. Darum verschwindet aber doch nicht das Problem aus der Welt! Ganz im Gegenteil.

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