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  • Stephan Schleim

mehr als 1000 Beiträge seit 27.01.2005

Imprinziplismus

Konrad Lehmann schrieb am 06.06.2017 14:19:

Stephan Schleim schrieb am 04.06.2017 12:25:

Herr Lehmann schreibt nun, das Problem der Intentionalität (mit anderen Worten: der Bedeutung psychischer Prozesse) könne prinzipiell physikalisch gelöst werden. Also bitte, lösen Sie es!

Na, Sie sind ja putzig.

Ich glaube, in meiner dreiundzwanzigjährigen Online-Karriere wurde ich noch nie "putzig" genannt. Vielen Dank für diese Erfahrung!

Ich gebe zu, dass ich ein Problem nicht verstanden habe, und Sie antworten mit der Aufforderung, es zu lösen.

Interessant, wie Sie Sprache gebrauchen: Sie schreiben, etwas sei prinzipiell lösbar, und meinen: Ich habe es nicht verstanden.

Ich werde das Problem sicherlich nicht lösen. Aber ich kann versuchen, mein Denken gleichsam drumherum zu wickeln, bis ich es mir etwas mehr anverwandelt habe.

Warum sagen Sie dann, es sei prinzipiell lösbar, und zwar physikalisch/naturwissenschaftlich lösbar?

Nehmen wir einmal an, ich würde jetzt sagen: Ich kann prinzipiell (= im Grunde genommen, grundsätzlich, eigentlich) den Schachweltmeister besiegen.

Wenn das nicht nur heiße Luft wäre, was aus meinem Mund käme, sondern eine bedeutungsvolle Äußerung, dann müsste ich mich doch jetzt hinsetzen und den Schachweltmeister besiegen. Anders würde man mich vielleicht nennen... einen Angeber? Großer Mund aber nichts dahinter?

Nein, schon in meiner Magisterarbeit war mir aufgefallen, wie viele Annahmen der analytischen Philosophie des Geistes auf solchen Im-Prinzip-Aussagen gründeten, dass ich mir dafür ein eigenes Wort ausdachte: Imprinziplismus.

Ja, im Prinzip, da kann ich mir viel vorstellen. Wenn mich danach bloß niemand fragt, es dann auch wirklich zu tun!

Zwei (u.U. durchaus widersprüchliche) Überlegungen dazu:
a) Kann es sein, dass das Problem der Intentionalität aus einer Vermengung der Sichtweisen entsteht?

Das halte ich nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich.

[…] Von außen betrachtet "bedeutet" ein Feuermuster von Neuronen im parietalen Assoziationskortex meinen Aktenschrank. Von innen betrachtet entsteht es aus der Anregung durch Neuronen der Sehrinde und benachbarter Gebiete, und bewirkt u.U. Aktivität in motorischen Gebieten.

Mir ist kein Fehler in dieser Beschreibung aufgefallen; ich störe mich aber etwas an Ihrer Verwendung der Begriffe "von außen" und "von innen".

Man könnte auch sagen, die Erfahrung ist von innen, der Hirnforscher schaut aber von außen.

b) Und / oder erwirbt ein System Intentionalität durch seine Tätigkeit in der Welt?

Das ist eine interessante Hypothese.

[…] Aber was wäre, wenn die Lagerverwaltungssoftware selbst aktiv mit der Umwelt interagieren könnte? Wenn sie also den Lagerinhalt mit Bilderkennung abscannen und die Vorräte klassifizieren könnte, und auch die Gabelstapler und Roboter steuerte, um die Kartons zu bewegen, neue zu ordern usw.? Dann geriete das System in eine funktionale Rückkopplung mit der Umwelt, in der es seine eigenen Repräsentationen der Umwelt, also "Intentionen", entwickeln könnte.

Ein interessantes Beispiel; so ein System würde wahrscheinlich als zielgerichtet erscheinen; als ob es Absichten, Zwecke verfolgt.

In dem genannten Beispiel würden wir wohl sagen: Die sind aber in das System programmiert. Dahinter verbirgt sich vielleicht schlicht ein Speziesismus, dass wir uns selbst anders beschreiben als nicht-menschliche Systeme.

Daniel Dennett hat ja den (ontologisch unbefriedigenden) Vorschlag gemacht, Systeme als intentionale Systeme anzusehen, wenn wir ihr Verhalten nicht auf einer grundlegenderen Ebene (algorithmisch oder mechanisch) erklären können.

Ist das das Beste, was sich über Intentionalität aussagen lässt?

"Intentionalität" wäre demnach also nur ein Wort dafür, dass ein System imstande ist, autonom seine Umwelt sensorisch zu erfassen und auf Basis dieser Daten flexible Funktionen auszubilden, durch die es wiederum motorische Antworten erzeugen kann.

Interessanter Gedanke.

So, das sind die Gedanken, die mir in den Sinn kommen, ohne dass ich dazu klügere Köpfe zitieren könnte. Vielleicht sind sie Unfug; vielleicht helfen sie Ihnen, zu erkennen, wo ich immer noch Verständnisprobleme habe. Man muss ein Problem erst einmal klar formulieren und eingrenzen, ehe man es lösen kann. (Wenn man es ganz klar formuliert hat, hat man es wahrscheinlich damit gelöst.)

Danke, Ihre Gedanken haben mich sicher zum Nachdenken angeregt.

Ich sage ja auch nicht, alles zur Intentionalität verstanden zu haben; bloß, dass ich eine Beschreibungsebene habe, auf der ich mich widerspruchsfrei auf solche Sachverhalte der Welt beziehen kann.

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal,

Ihr Pützchen

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