Jeder, der schon mal im Rahmen von Bildung eine völlig neue Sichtweise auf etwas erlangt hat, weiß, wie es ist, plötzlich Dinge ganz klar zu sehen, die einem vorher gar nicht aufgefallen sind. Spätestens, wenn man tiefes Expertenwissen hat, dann erlebt man die Muster, nach denen man seine eigene Wahrnehmung ordnet, als genauso natürlich und dinglich wie Farben oder Geräusche.
In der Tat. Bekannte "Schablonen" werden im Zuge von Wahrnehmungsautomation in den unbewussten Verarbeitungsbereich verschoben. Das ist eine biologische Optimierung im Sinne neuronaler/ energetischer Effizienz. Im Konfliktfall, wie der Kollision von bekannten "Schablonen" - in etwa: Der Biber sieht aber seltsam aus, oh es ist ein Schnabeltier - wird das Bewusstsein zu Einsortierung an-/aufgerufen.
So gesehen ist es durchaus denkmöglich, dass jemand, der keinen Begriff von Farben hat, diese gar nicht (Anmerkung: bewusst!) wahrnimmt, obwohl sein Wahrnehmungsapparat dies erlauben würde.
Qualia ist ein Wahrnehmungsverarbeitungsprozess der bewusst abläuft, selbst auch wahrgenommen wird. Insofern ist diese Ergänzung zwingend. Und ja, ich würde fest davon ausgehen, dass dem so ist. Ein anderes Beispiel oder Indiz dafür wäre für uns Mitteleuropäer ein Gang durch den Regenwald mit Einheimischen. Diese sehen Tiere im Dickicht die wir zwar auch "sehen" aber sehr oft nicht bewusst erkennen in der ungewohnten grünen Welt, selbst wenn sie uns direkt präsentiert werden. Sie verschwimmen mit der unbekannten grünen Masse, während der "Experte" sie klar und unmittelbar erkennt.
Man kann nun argumentieren: wenn ein Wesen über Farben und Geräusche sprechen kann und diese auch korrekt identifiziert, dann *muss* es dafür eine interne Repräsentation haben, egal wie diese nun aussieht. Qualia sind dan nur noch das, worüber wir reden, wenn wir unsere interne Repräsentation reflektieren (die notwendigerweise existieren muss).
Ja, aber um das nochmal zu unterstreichen: Sobald Sprache ins Spiel kommt, bewegen wir uns außerhalb der Qualia. Selbst wenn dieses "Reflektieren" nur gedacht ist, ist es eine Indirektion zu viel.
Man beachte: selbst eine künstliche Intelligenz, die auf einem Computer implementiert ist, wird behaupten, es nehme die Welt nicht in Einsen und Nullen wahr. Das liegt allein schon daran, dass Programme gar nicht aus Nullen und Einsen bestehen, sondern aus komplexen Handlungsanweisungen, die nur hinterher vom Compiler in Nullen und Einsen zerlegt werden. Es handelt sich semantisch schlicht um verschiedene Hierarchie-Ebenen. Und genauso wenig, wie ein Computerprogramm aus Nullen und Einsen besteht, kann man eine künstliche Intelligenz oder ihre Wahrnehmung auf nullen und einsen reduzieren. Für menschliche Intelligenz gilt das erst recht. Wir existieren zwar in einem biologischen Substrat, aber wir *sind* nicht dieses biologische Substrat.
Diese Beschreibung/ These spiegelt im Wesentlichen unsere Beobachtung unserer Welt wieder. Hier kann ich mir jedoch sehr einfach Gegenentwürfe vorstellen: Es ist letztlich nur die Frage welcher Teil der Wahrnehmung einem Bewusstsein zur Verfügung gestellt wird. Typischerweise - das ist der Status Quo, siehe auch oben - bekommt der energetisch aufwendige Teil unseres Hirns nur vorverarbeitete, abstrahierte und komprimierte Wahrnehmungsergebnisse präsentiert. Ich würde das evolutionär begründen, wie gesagt: Effizienz. Das Filtern macht Sinn. Denkbar wäre es sehr einfach, dass Qualia oder bewusstes Erleben direkt an der breiten Rohdatenpipeline ansetzt. Allein die Anstrengung der Datenflut ist mindestens unangenehm. Man denke an die Menschen mit "geistiger Andersartigkeit" die spezielle Fähigkeiten haben, und daran auch leiden. Ein anderer und bekannter Weg bestimmte "Filter" im Hirn abzuschalten sind Drogen. Es gibt hinreichend Erfahrungsberichte in denen von anderen Seinszuständen gesprochen wird, die Qualia auf "anderen Hierarchie-Ebenen" wenigstens suggeriert.
In einem möchte ich aber zustimmen: Hierarchien scheinen beim Menschen zwingend zu sein, um über "Existenz" überhaupt reden zu können. Insofern ist ein direkter und unmittelbarer, kompletter "Kurzschluss" mit der untersten Ebene im biologischen Sinne wohl ausgeschlossen. Und auch im Computerprogramm hätten wir mit heutigen Mitteln wohl nur eine Endlosschleife programmiert.