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  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

Sichtweite

Viele der hier dargestellten Zusammenhänge sind sicherlich korrekt gesehen. Am wichtigsten erscheint mir Horns Erkenntnis, dass es sich um ein langfristiges, immer weiter verschlepptes Problem handelt.

Die erwähnten Lieferkettenprobleme gab es schon vor Corona, wurden aber von dem durch die Pandemie ausgelösten Hü und Hott massiv verschärft. Jeder Kriegsexperte weiss, dass lange Versorgungswege auf die Dauer riskant sind. Es handelt sich um ein Überdehnungs-, hier aber auch um ein Quantitätsproblem. Beispielsweise sind heute die Container-Schiffe tendenziell zu gross für die Häfen.

Das Konzept Handel zeigt nun mehr und mehr seine negativen Seiten. Die WTO-Deregulierung, die als probates Heilmittel gesehen wurde, entpuppt sich als Symptombekämpfer, der schliesslich selbst zum Hauptproblem mutiert. Noch schlimmer ist in dieser Beziehung die Deregulierung des Finanzsektors, dessen Über- und stetig noch weiter steigende Attraktivität ein Hauptgrund für die von Horn beklagte Investitionsaversion ist. Was soll ich in eine Fabrik investieren, wenn ich an der Börse viel höhere Profite erwarten kann? Seit der 'Finanzkrise' und dem neuen Heilmittel, der schrankenlosen Öffnung der Geldschleusen, hat sich dieser Zusammenhang noch einmal merklich verstärkt.

Horn sieht weiter als die meisten neoliberalen Ökonomen, allerdings nicht weit genug. Die eigentliche Ursache, die systemimmanenten Aporien, sieht er nicht. Er glaubt, es gebe ein, allerdings auch von ihm nicht genanntes weiteres Heilmittel, das die Globalwirtschaft wieder auf einen gesunden Kurs bringe. In einem gewissen, eher unangenehmen Sinn stimmt das auch, der erste Teil der 'Lösung' besteht schlicht im Zulassen des Zusammenbruchs. Nun hat man allerdings die Konkursverschleppung so lange verzögert, dass die Folgen unabsehbar sind. Daher kommt man, bleibt man in der Logik des Systems, um einen zweiten Teil kaum mehr herum - Krieg zwischen den Vormächten. Die darin stattfindende Wertvernichtung füllt die weitgehend geleerten Lukrierpotentiale in der realen Wirtschaft wieder auf. Allerdings - um davon zu profitieren braucht es einen Sieger mit noch weitgehend intaktem Produktionsapparat. Den wird es nicht geben.

Seltsam mutet der vorletzte Absatz Horns an:

Die klimapolitischen Maßnahmen, also die nicht nur von den Grünen propagierte sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft, sind zudem eine ideale Begründung, um den wegen der wirtschaftlichen Depression schon heute stagnierenden Wohlstand der erwerbstätigen Massen zu verschleiern und obendrein weitere Wohlstandseinbußen zu legitimieren.

Das klingt, als könne man klimapolitische Massnahmen folgenlos auch nicht ergreifen. Das erinnert dann an jemanden, der sich über den neuen Küchenstuhl freut, während ihm der Sturm das Dach abdeckt und das Wasser schon im Keller steht.

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