"Oh, du bist beleidigt, weil ich immer den Penis zuerst nenne, und die Vagina erst an zweiter Stelle, und so das heteronormative cisgender neurotypische Patriarchat stärke? Dein Problem. Ich empfehle das Neuroleptikum Haloperidol gegen deine Wahnvorstellungen."
Ich hatte mal eine polnische Arbeitskollegin, Anna, die extrem Selbstbewusst, witzig-frech und gesund Respektlos war. Wir mochten uns, glaube ich. Irgend wann in den frühen 2000ern ergab es sich mal, das sie mich fragte ob ich sie nicht im Taxi von unserem Arbeitsort zum Hauptbahnhof begleiten möchte, denn sie wisse ja das ich sonst alternativ mit dem ÖPNV fahren müsse. Das fand ich total nett, und so begleitete ich sie.
Am HBhf ausgestiegen, war ich der Lakai. Schon am Kofferraum des Taxis wurde das klar. Ich hatte naiv gedacht, da sagen wir dann Tschüß und ich geh nach Haus, und sie nimmt ihren Zug nach Warschau - weit gefehlt. Sie bat den Taxifahrer, weit weg stehend vom Kofferraum, den Taxifahrer diesen doch zu öffnen und gab mir mit eindeutigen Blicken zu verstehen, das ab jetzt ihre zwei riesigen Rollkoffer mein Job sind.
Und so zockelte ich ihr mega-bepackt hinter her. Natürlich gabs an dem Bahnsteig, an dem ihr Zug bald abfährt, keine Rolltreppe - und Aufzug fährt sie (und ihre Koffer) nicht, weil die immer stinken. Oben angekommen, stellte sie "überrascht" fest, das ihr Zug erst in ner Stunde fährt. Ich so (naiv 2): Na dann, tschüß Anna, ich geh jetzt mal, gute Fahrt. - Und sie so: Ach, hier eine Stunde rumstehen gefällt mir nicht, sollen wir nicht noch irgendwo einen Kaffee nehmen? - Ich zögerte, und sie so: ich lad dich ein. Und ich (naiv 3): Ok. Natürlich konnte ich wieder mit den zwei riesigen Rollkoffern nicht den Aufzug nehmen, der stinkt ja noch immer (woher sie das wusste, wir waren ja nicht 1x drin?) - Und so wanderten wir durch den Bahnhof, natürlich brauchte sie noch ein paar Kleinigkeiten aus der Drogerie für die Reise, ihre Lieblings-Zigaretten, die es nur hier in diesem Bahnhofs-Zigaretten-Laden gibt, und und und. Ich immer mit diesen zwei riesigen Rollkoffern hinter ihr her, und konnte mir zwischendurch immer wieder so Sätze anhören, wie verroht die Deutschen mittlerweile geworden sind - O-Ton: "Ich habe hier schon mehrfach erlebt, das mir jemand nicht die Tür aufgehalten hat!" - Natürlich war es dann zeitlich zu knapp, noch einen Kaffee irgendwo zu nehmen, denn ihr Zug fährt ja bald. Nochmal auf den Bahnsteig ohne Rolltreppe und mit Aufzugsverbot - und ich verabschiedete sie - und dachte, während ich ihr zum Abschied winkte als sie in den Zug einstieg: Nie, nie, nie wieder lasse ich mich von Anna zu einer Taxi-Fahrt einladen!
Ob Anna sich jemals in ihrem Leben als Opfer einer nicht-gegenderten Sprache empfunden hat?
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (18.09.2021 10:32).