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  • Thusnelda

mehr als 1000 Beiträge seit 17.04.2007

Selektion



<PRE>>Mit derselben Logik könnte freilich auch sagen, man darf 
>nichts gegen die Behandlung von Krebs entwickeln, weil das
>eine Diskriminierung der an Krebs Erkrankten 
>bedeuten würde, die man damit nicht mehr therapieren kann. 
</PRE>

Auch ich spüre bei Schlussfolgerungen wie der obigen ein
undefinierbares Unbehagen. Der Ton macht die Musik.

Die angesprochenen Behindertengruppen werden sicher nichts gegen eine
Behandlung im Sinne von unterstützender oder heilender Therapie
ihrer Erkrankungen haben. Es geht in der aufgeregten Diskussion um eine
ganz andere Form der "Behandlung":
Klartext: es geht um Präimplantations-SELEKTION, der die
Präimplantationsdiagnostik nur vorausgeht.  Aber das Wort
Selektion wird im deutschen Sprachraum verschämt verschwiegen,
auch wenn jeder genau weiß, was "Diagnostik" bedeutet.
Man möchte nun die Diskussion in die Mitte der Gesellschaft
bringen, möglicherweise auch deshalb, um persönliche 
Verantwortungsgefühle abzuwälzen:

Wer will denn nicht ein gesundes Kind? 
Ist es einer Gesellschaft zuzumuten, noch höher durch
Sozialausgaben für unterstützungsbedürftige Menschen
belastet zu werden? Könnten wir die eingesparten Mittel nicht
sinnvoller verwenden? 

Gerade angesichts der nicht immer ruhmreichen deutschen Geschichte
sollte man sich vor Augen halten, dass es in der letzten Staatsform
erlaubt war, von Staats wegen die Fortpflanzung willkürlich
deklarierter "Andersartiger" gewaltsam durch Sterilisation zu
unterbinden, noch schlimmer: nicht in die Ideologie passende Menschen
jeden Alters einfach zu ermorden. Das kann man nun bequemer haben. Die
"Schuld" trotz medizinischen Fortschritts ein krankes Kind in
die Welt zu setzen und die damit verbundenen Mehrkosten könnten
dann eindeutig den Eltern zugeschrieben werden, die sich aus
Dämlichkeit oder noch schlimmer: wider besseren Wissens gegen eine
von der Gesellschaft befürwortete Selektion entschieden
hätten. Selbst dran schuld. _Die_ Gesellschaft, _die_
Bevölkerung brauchten dann nicht mehr für die entstehenden
Kosten aufzukommen. Endlich wäre geregelt, was jetzt noch in 
Grauzonen und Tabuzonen herumschwirrt: die persönliche
Verantwortung und Haftung wird _schuldhaft_ den Erzeugern und damit
auch dem Kranken zugeschoben, falls er an einer Erkrankung/Behinderung
leidet, die durch Präimplantations-Diagnostik und Selektion
hätte verhindert werden können. Die Ärzte müssen
sich nicht mehr zwischen Hippokrates und Kassenzwängen verbiegen.
Die Gesellschaft wird sich freuen. Letztendlich wird es Gutachter und
Richter geben, die klären müssen, ob schuldhaft eine
Selektion versäumt wurde oder ein Mensch vielleicht erst auf dem
späteren Weg zu seiner Menschwerdung einen körperlichen
Schaden erlitten hat. Wahrscheinlich werden Schwangerschaften nach der
der PID noch viel eingehender kontrolliert, um jede weitere
Schädigung oder Abnormität rechtzeitig erkennen und ausmerzen
zu können. Bis heute ist das ja noch bis direkt vor der Geburt
möglich. Solch ein Gemetzel wäre in Zukunft dann vielleicht
die Ausnahme.

Der oben zitierte Satz, der sich auf Krebskranke bezog, hätte im
pervers-logischen Sinn der irgendwann von der Gesellschaft
vorgeschriebenen PID zur Folge, dass gar nicht erst Menschen entstehen
dürfen, die das Risiko in sich tragen, irgendwann im Laufe ihres
Lebens eine Krebserkrankung zu entwickeln.

Wer von den Lesern ohne Kranke unter den eigenen Vorfahren ist, werfe
den ersten Stein!


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