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  • Two Moon

mehr als 1000 Beiträge seit 30.05.2017

Re: Antwort in mehreren Teilen - 3 von 3

Hallo Crumar,

dir auch ein gutes Jahr 2022!
Aber ich fürchte die ‘interessanten’ Zeiten werden so schnell nicht vorrüber sein. Schlimmstenfalls war das nur der Auftakt zu einer Reihe von Folgekrisen.

Diese Probleme, die du mit dem Text-Wust hast, mit der Länge und den Zitaten, habe ich so nicht.
Vielleicht weil ich früher mal als Programmierer gearbeitet habe. Da hat man mit viel schlimmeren Textwüsten zu kämpfen.
Wenn es hier jetzt arg wird, kopiere ich das Ganze einfach in einen Texteditor (da kann ich es farbig codieren), wo ich einen besseren Überblick habe und später wieder zurück.

Ich werde jetzt aber auch versuchen die Sache ein wenig einzukürzen und nicht mehr auf alle Absätze antworten, auf die mir eine Antwort einfiele, sondern mich auch auf ein paar wesentliche beschränken. Manche Themen, die dadurch zwischenzeitlich entfallen, kommen vielleicht später dann doch wieder hoch. Da, wo es mir nötig erscheint, werde ich auch die letzten beiden Absätze zitieren (also meinen und dann deine Antwort dazu) damit der Bezug nicht zu sehr verloren geht.

Es gibt bei uns beiden sicherlich eine Übereinstimmung, dass Geschlechter biologisch und kulturell geprägt worden sind, wobei zu klären ist, welche Anteile in bestimmten Gesellschaften und Gesellschaftsformen eine Rolle gespielt haben, bzw. mit welcher Funktion "hergestellt" worden sind.
Die Idee allerdings, man könne bestimmte Gesellschaften als "weiblich" oder "männlich" charakterisieren lehne ich ab, weil damit der Bogen weit überspannt ist.

Na gut, das konnte ich auch nicht erwarten, dass du mir da so einfach zustimmst. Die Theorie ist eigentlich auch ganz und gar auf meinem Mist gewachsen. Ich denke sehr oft in Analogien. Doch die Analogien so weit zu ziehen, dass man Geschlechter auf Völker beziehen kann, ist für viele zu ungewohnt um das jetzt so einfach ins eigene Gedankensystem einordnen zu können. Was aber jetzt nicht heißen soll, dass ich dich für einen unoffenen und unflexiblen Denker halte, im Gegenteil.

Männlich und Weiblich sind aus meiner Sicht eben die zwei Grundkräfte im Universum. Deswegen findet man sie auch auf allen Ebenen wieder. Und sie bedingen einander auch. Ich kann auch Orte oder Regionen auf die Geschlechter beziehen, wovon dann natürlich auch die Mentalität der Völker beinflusst wird usw.
Aber man findet diese Kräfte eben auch bis auf die kleinste atomare Ebene. Es gibt eben die eine Kraft der Anziehung (weiblich), die Atome sich zu Molekülen zusammenballen lässt und es gibt die trennende Kraft (männlich) durch die sich Atome wieder voneinander lösen.
Das ist übrigens auch die Grundlage dafür warum ich in einem Absatz, (den ich jetzt inklusive deiner Antwort dazu auslasse), Individualität und Individualismus als männlich bezeichne. Oder die Affinität zu Bindungen stärker bei Frauen verorte. Also ich fange quasi schon unterhalb der Biologie an und weit unterhalb der Soziologie, die du dafür zu rate ziehst.

Es beinhaltet aber auch keinerlei Wertung, wenn ich ein Volk als weiblich und das andere als männlich bezeichne. Aber ich verstehe so besser die Mentalitäten einzelner Völker.

Es macht immer mehr Spaß Noten zu verteilen, als selber Noten zu erhalten und zu werten, statt bewertet zu werden. Alleine diese Formulierung stellt allerdings deine Behauptung in Frage, Frauen seien passiv, denn "Bewertung" ist ein Tätigkeit, die der Arbeit von Männern nachgelagert ist und es macht ebenfalls mehr Spaß, zu bewerten, als die Arbeit zu verrichten, die bewertet wird.

Ja klar, aber Frauen sind ja nicht nur stumme Wesen, die willenlos in der Gegend herum liegen. Die Passivität besteht einfach darin, dass die ‘Tätigkeit’ der Bewertung erst als _Reaktion_ auf die Aktivität der Männer erfolgen kann. Die Passivität besteht darin, dass Frauen nur reagieren (natürlich nicht immer und überall, aber in der Grundtendenz).

Ja, nur sehe ich das, anders als du, als gegeben an, als die unumgängliche Eigenart von Mann und Frau, eben eine, die nicht nur ein paar Hundert Jahre alt ist. Für einen Fortschritt für eine Entwicklung im Leben sind Frauen auf Männer angewiesen, denn sie können ja nicht gehen -> siehe das Gleichnis vom Blinden und dem Lahmen. Und Männer haben halt diese andere Schwäche. Insofern sind beide Geschlechter notwenig aufeinander angewiesen. Und die Männer sind diejenigen, die sich bewegen können.

Da haben wir ein "agree to disagree", würde ich sagen.
Ich glaube nicht, dass es "unumgängliche Eigenarten" gibt und ich glaube auch nicht an eine "Komplementarität der Geschlechter".
Sehr auffällig ist die Motivation hinter der Konstruktion eines "Mängelwesens Mann", der nämlich immer auf "Frau" angewiesen, also ergänzungsbedürftig ist.
Dieses Narrativ existiert seit Pi mal Daumen 250 Jahren, wobei das Argumentationsmuster mehrmals von Natur auf Kultur für beide Geschlechter gewechselt hat.
Es galt zuerst den männlichen Egoismus (Natur) per Ehe durch das zivilisierende Wesen der Frau (Kultur) einzuhegen, dann erst wurde das zivilisierende Wesen der Frauen zu ihrem biologischen Wesen.

Du glaubst doch auch daran, dass zumindest ein Teil der Geschlechter-Eigenschaften durch die Biologie bestimmt ist. Daraus entstehen dann ja doch die "unumgänglichen Eigenarten" der Geschlechter. Jedenfalls dauert es sehr sehr lange bis Instinkte, die biologisch verankert sind, sich ändern können.

Dass du nicht an die "Komplementarität der Geschlechter" glaubst, ist für mich so ziemlich der größte und folgenschwerste Dissenz zwischen uns. Denn für mich ist es gar nicht anders denk- und vorstellbar. Welchen Sinn können Geschlechter denn dann überhaupt haben? Wieso gibt es denn dann überhaupt Geschlechter? Wieso sind wir nicht alle Zwitter, die sich ständig selbst befruchten?

Einschieben muss ich aber natürlich auch, dass _beide_ Geschlechter einander brauchen. Von daher ist so etwas wie ein "Mängelwesen Mann" natürlich Blödsinn.
Natürlich können beide Geschlechter auch ohne einander auskommen und halbwegs zufrieden leben - aber eben nur halbwegs und beide können dann nichts wirklich außergewöhnliches vollbringen. Habe ich ja aber so ähnlich schon im letzten Post geschrieben.
Dabei muss man das andere Geschlecht nicht unbedingt als ‘Beziehungspartner’ haben. Jegliche Art von Kontakt zum anderen Geschlecht ist da hilfreich.
Selbst schwule Männer sind sehr auf Beziehungen zum weiblichen Geschlecht angewiesen.

Zum "Mängelwesen Mann" noch: Ich habe mal einem türkischen Mann das Kochen beigebracht. Aufgrund seiner kulturellen Prägung konnte er das nicht, denn als Mann tat man das in seiner Kutur nicht. Er lebte aber nun alleine und war in der Beziehung ein wenig hilflos. Als wir dann aber einige Male zusammen gekocht haben, zeigte sich, dass er das sehr schnell gut konnte. Und er wusste sogar viel, weil er viel aufgeschnappt hatte in seiner früheren Familie. Er konnte es eben nur nicht _tun_ wegen der starken kulturellen Prägung.

Wichtig ist aber auch, dass sich die beiden Geschlechter gegenseitig in Ballance halten. Wenn diese Ballance aus dem Lot gerät, wie heutzutage, dann sind es schlechte Zeiten und Ungemach droht, nicht nur für das Geschlechterverhältnis, sondern allgemein.

Ich stimme zu dass dieses Narrativ, was du beschreibst, vor 250 Jahren entstanden ist. Das hat dann in der Folge etwa 80 bis 100 Jahre gedauert bis die Männer so sehr den Glauben an sich verloren haben, dass die Frauen auch den Glauben an die Männer verloren und sich dann gegen die Männer wendeten -> Feminismus.

Mich würde jetzt aber interessieren: Worin siehst du die Ursache für das Aufkommen dieses Narratives vor 250 Jahren?

Der legendäre "Shit-Test" - das ist das Stammfeld der PUA, hier eine Definition aus dem urban dicitionary (gekürzt): "A manufactured grievance a woman uses to test the mettle, competence and confidence of her mate. It is an intentional provocation accompanied by an implicit and subconscious desire that the man put his foot down, set reasonable boundaries and demonstrate that he will not be bullied, nagged, shamed or guilted into submission."

In einem unserer Forum hat ein User tatsächlich vorgeschlagen, Feminismus als gigantischen Shit-Test zu verstehen.

Ja, ich habe es zwar nicht von dieser “Shit-Test” Theorie, aber es ist im Prinzip das Gleiche, was ich denke.
Und ich denke dein Forums-Kollege hat recht! Ich sehe Feminismus auch als einen gigantischen Shit-Test.
Wobei eine Anhebung der Rechte und der Wertigkeit von Frauen schon Not tat, seinerzeit. Aber das war nicht die wirklich treibende Kraft dahinter, sonst wäre es vielleicht auch nicht so sehr übers Ziel hinaus geschossen, wie das dann passiert ist.

Zur Hypergamie aber noch ein Gedanke. Wenn Frauen nach 'oben' heiraten wollen (was allerdings nicht immer und überall der Fall ist), dann bezieht sich das 'nach oben' ja aber nur auf bestimmte Begriffe, eben die von dir genannten. Was die Frauen nun mitbringen, hat aber natürlich auch einen gewissen Wert. Nur weil eine Frau weniger gebildet ist oder weniger verdient, heißt das nicht, dass ihre 'weiblichen' Werte nicht denen des Mannes ebenbürtig sind und der Mann davon so profitiert wie die Frau von seinen hypergamen Werten.

Natürlich folgt der Grundgedanke C. Hakim, wonach sich "erotisches Kapital" (also Attraktivität) in jede andere Kapitalsorte umtauschen lässt. Das sind dann ihre "weiblichen Werte": Attraktivität und Jugend.
Wir haben da ein "agree to disagree" in Sachen "weibliche Werte" - ich sehe die einfach nicht.

Aber du siehst doch auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen, oder? Wenn es also Unterschiede gibt, warum sollte es dann keine besonderen ‘Werte’ oder positive unterschiedliche Fähigkeiten zwischen Mann und Frau geben?
“Weibliche Werte” nur auf Attraktivität und Jugend zu beschränken finde ich extrem verkürzend. Das ist so als würde man die männlichen Werte nur auf die höhere Körperkraft, Ausdauer und das Durchhalten von Strapazen beschränken.

Wie ich im letzten Post schon erklärt habe, lassen sich die unterschiedlichen Talente der Geschlechter gut aus dem Gleichnis vom Blinden und dem Lahmen ableiten. Die Austauschmöglichkeiten und Verbindungen zwischen den Geschlechtern sind _enorm_ vielfältig. Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn die Beziehung zwischen beiden nicht allzu sehr gestört ist (z.B. durch Geschlechterkampf). Da läuft dann auch nicht mehr so viel mit dem Austausch von “Werten”.
Was Männer von Frauen empfangen können ist z.B: Mehr Ruhe und Ausgeglichenheit, eine bessere innere und äußere Wahrnehmung (der eigenen Gefühle auch), Rückendeckung, Verbesserung und Veredelung der Dinge, die der Mann erringt, und vieles mehr.
Auf die heutige Situation bezogen mag dir das vielleicht absurd vorkommen, aber das liegt, wie schon gesagt, am Geschlechterkampf.

Männer ohne eine irgendwie fruchtende Beziehung zu Frauen gleichen bald eher einer Wüste in der nichts mehr richtig wächst, alles vertrocknet und verdorrt. Frauen ohne eine solche Beziehung zu Männern gleichen bald einem Sumpf in dem alles vermodert.
Zusammen aber können sie für blühende und fruchtbare Landschaften sorgen.

Unsere sehr evolutionsbiologisch orientierten Männer haben ebenfalls behauptet, ganz verkürzt, Männer seien besser in Naturwissenschaften und Mathe, Frauen eben besser in Sprache(n).
Das Problem mit dieser Annahme ist, dass in SAT-Tests (Test zur Studierfähigkeit von Bewerbern an Unis in den USA) die "math skills" und "verbal skills" testen, junge Männer seit 1972 durchgängig besser in den "verbal skills" abgeschnitten haben (und in den "math skills").
Diese Tests zeigen weder den behaupteten Geschlechtergegensatz, noch prognostizieren sie die Ergebnisse korrekt. Was - das ärgert mich - niemand daran hindert, diese "Theorie" immer und immer wieder zu wiederholen.

Ich würde den Hauptunterschied eher so definieren. Männer sind in allem besser, was zum ersten Mal getan wird, im Erringen von Neuerungen. Sie sind die treibende Kraft bei der Weiterentwicklung einer Gesellschaft, was Frauen nicht so gut können. Frauen hingegen sind etwas besser in der Nutzung von schon Bekanntem und in der Stabilisierung von schon Bestehendem.
(Beides kann man sehr schön z.B. auch an den Talenten und den Unfähigkeiten von Angela Merkel sehen).

Im Grunde genommen sind wissenschaftliche Untersuchungen zur Geschlechter-Problematik ja eine heikle Sache. Ganz einfach weil das Gebiet so vermint ist, von beiden Seiten. Da kaum jemand eine wirklich neutrale Position in diesen Fragen einnimmt, wird es wohl auch kaum Untersuchungen geben, die nicht vorurteilsbehaftet sind und daher Schlagseite haben, oft sogar aus unterbewussten Gründen.
Nun sind diese SAT-Tests, die du da anführst, nicht unbedingt wissenschaftliche Untersuchungen und ich will die auch gar nicht anzweifeln. Was ich aber anzweifeln möchte ist, ob man aus solchen Tests zur Studierfähigkeit auf die ‘wirklichen’ Fähigkeiten von Mann und Frau schließen kann, wenn sie nicht unter Prüfungsdruck stehen.

Allgemein aber möchte ich sagen, dass wir ja Menschen sind. Wir fühlen und nehmen wahr und sind mitten drin in dem was wir hier zu betrachten versuchen. Müssen wir dann unbedingt die Wissenschaften bemühen um heraus zu bekommen was Männer und Frauen eigentlich sind? Ist das nicht ein zu abstrakter, ein zu objektbezogener Weg?

Was mich jetzt aber zum Schluss dieses Posts wirklich einmal interessieren würde ist: Welche Vision, welche Vorstellung hast du von einem guten Geschlechterverhältnis in der Zukunft? Auf welchen Zustand sollte man hinarbeiten und auf welche Weise ließe sich dieser erreichen?

Schönen Gruß

Two Moon

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