Ansicht umschalten
Avatar von Two Moon
  • Two Moon

mehr als 1000 Beiträge seit 30.05.2017

Re: Antwort in mehreren Teilen - 1 von

Hallo Crumar,

freut mich, dass du trotz aller Widrigkeiten dich noch dazu hast durchringen können diese interessante Diskussion weiterzuführen.

Ich antworte jetzt mal kurz auf den ersten Teil deiner Antwort, warte aber dann erst mal alle anderen Teile ab, denn sonst gibt es Chaos.

Es gibt DIE "alten Griechen" nicht.
In Kreta gab es matrilineare Verhältnisse und auch in einigen griechischen Stadtstaaten.

Mit DEN alten Griechen meine ich natürlich die klassischen Griechen, deren älteste Vorkultur ja die mykenische ist, die von indoeuropäischen Einwanderern abstammt.
Auf Kreta hingegen gab es vorher die berühmte minoische Kultur, der erste Hochkultur in Europa. Die minoische Kultur war sehr anders als die mykenische, besonders auch was das Verhältnis Mann/Frau anging (eben teils wohl auch matrilinear). Die Minoer gehörten zur "ureuropäischen" Bevölkerung.
Ähnliches gilt auch für die Etrusker. Auch hier eine ganz andere Stellung der Frau, als bei den nachfolgenden Römern. Dieser kulturelle Unterschied zwischen indoeuropäischen Einwanderern und den "ureuropäischen" Völkern mag auch eine größere Rolle bei der Entstehung der Sagen um Troja spielen. Aus etwa diesem Gebiet könnten in der Tat, wie es die Äneas-Sage andeutet, die Vorfahren der Etrusker stammen.

Die Geschichte wurde rückwirkend umgeschrieben nach einer evolutionstheoretischen Maxime, unter die auch Friedrich Engels fiel (und unter der wir als Linke noch immer leiden).
D.h. auf ein Matriarchat folgt "das Patriarchat".
Es gibt aber keinen empirischen Beweis für die Existenz eines Matriarchats.
Das räumen selbst feministische Archäologinnen und Altertumsforscherinnen seit längerer Zeit ein.

Dass es früher mal ein Matriarchat gab, halte ich auch nicht für plausibel. Wohl aber gab viele Zeiten und Kulturen in denen die Stellung der Frauen eine wesentlich höhere und Bedeutendere war, als in der Kultur, die man heute die Patriarchalische nennt.
Neben den Minoern und den Etruskern war selbst bei einigen nördlichen indoeuropäischen Völkern wie Kelten und Germanen, die Stellung der Frauen wesentlich höher als bei den ebenfalls indoeuropäischen aber sehr "patriarchalen" Italikern (incl. Römer) und Griechen.
Ursprünglich ist das, was man heute die "Patriarchale Kultur" nennt, wohl in der Tat mit den Indoeuropäern aus der Steppe nach Europa gekommen, dann bei Griechen und Römern ausgeprägt worden und dann mit dem Christentum nach Norden gekommen. So jedenfalls meine bisherigen Kenntnisse.

Wie bedeutetend jeweils die Stellung der Frauen in der Kultur war, hängt wohl zum Teil einfach von den Lebensumständen ab. In den Steppen, als Nomaden mit viel Vieh, viel Kampf und Überfall, ohne Möglicheiten sich mit Mauern oder dergleichen zu schützen, waren Männer natürlich besonders wichtig zum Überleben.

Ich selber habe auch einmal eine These aufgestellt, die ich nicht belegen kann, die mir aber intuitiv irgendwie stimmig vorkommt, wenn ich daran denke wie sich Frauen zu verschiedenen Zeiten verhalten haben. Also: Sobald eine Kultur an Vitalität verliert, allgemein an Lebenskraft und Lebendigkeit und dabei unter Druck gerät, neigen Frauen instinktiv dazu sich ohne Widerstand in ihrem kuturellen Status zurückstufen zu lassen. Sie geben Männern damit mehr Rechte, mehr Macht, mehr Bedeutung und damit (erst einmal) auch mehr Kraft zur Verteidigung und Behauptung der Kultur, denn die Männer sind es ja, die an der Front stehen.
Wirklich vitale Kulturen haben das nicht nötig, dort brauchen die Männer kein solches "Opfer" der Frauen und deswegen ist die Stellung der Frauen dort oft auch eine andere.
Wie gesagt, nur eine äußerst wackelige These von mir.

Was Farrell als "male disposibility" entdeckte ist aber nur teilweise eine Naturkonstante.
In den Kulturen der Inuit ist es kein Problem, einen weiblichen Säugling dem erfrieren auszuliefern.
Wenn Männer zu über 90% die Nahrung liefern, sind weibliche Säuglinge unnütze Fresser.

Nunja, in Indien oder China war es vor nicht allzu langer Zeit auch kein Problem Baby-Mädchen auszusetzen. Und auch heute werden dort sicher noch eher die Mädchen abgetrieben als die Jungen.

Dieser Logik zu folgen vermag nur, wer sich von einer gynozentrischen Logik unserer Kultur befreit hat, wonach weibliches Leben ungleich schützens- und lebenswerter ist als männliches.
Verstehst du, was ich meine?
WARUM beginnt ein Anschreiben in einer "patriarchal dominierten" Kultur und Sprache chronisch mit "Sehr geehrte Damen und Herren"? Warum kommen Frauen in dieser Kultur an erster Stelle? Es ist objektiv sinnlos.

Also wir haben sicher keinen Dissenz dabei, dass das sogenannte "Patriarchat" heute keines mehr ist und das auch schon lange nicht mehr. Wenn ich mir die Lebensgeschichten nur meiner eigenen männlichen Vorfahren so ansehe, Männer, die ja lt. feministischer Theorie noch in Zeiten schlimmsten Patriarchats gelebt haben, so ist deren Geschichten und Lebensäußerungen aber zu entnehmen, dass sie moralisch gesehen schon damals absolut unterlegen waren. Weibliche Bedürfnisse, weibliche Werte usw. galten damals schon überall. Frauen hingegen waren die Geschändeten, Betrogenen, die Opfer. Selbst wenn Männer sich damals (1900-1970) noch viel erlaubten konnten, was heute nicht mehr geht und Frauen fraglos manch übles Schicksal erlitten, moralisch gesehen waren die Männer da schon lange schlecht gestellt. Und auf das Moralische kommt es am Ende in solchen Auseinandersetzungen immer an.

Was wir heute haben ist aber schlicht Geschlechterkrieg und der ist furchtbar zerstörerrisch.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten