Hallo fdik, es ist schön, daß sich doch noch jemand bereitgefunden hat, sich mit dieser Thematik ernsthaft auseinanderzusetzen, und es freut mich, daß Sie es sind, da ich Ihre Beiträge stets zu schätzen weiß und auch vermuten darf, daß Sie einer der wenigen Aufrichtigen sind, die dieses Forum bevölkern.
-fdik- schrieb am 04.11.2018 13:05:
Bei einer Loyalitätsbeziehung verpflichtet sich nicht nur der, der unten ist, demjenigen, der oben ist. Sondern umgekehrt gilt das auch, derjenige, der oben ist, verpflichtet sich demjenigen, der unten ist. Nach oben gibt es Unterstützung. Nach unten gibt es Schutz und Versorgung.
Ich fürchte, trotz meiner generellen Sympathie für Ihre Ausführungen muß ich hier einen grundlegenden Einwand anmelden. Beziehungen, in denen einer unten und einer oben ist, sind immer Machtbeziehungen, stellen immer ein Machtgefälle dar. Insoweit, daß Loyalität auf Augenhöhe tatsächlich existiert bzw. stattfindet – es handelt sich in diesem Fall eher um einen Prozeß und nicht um einen festgeschriebenen Status, man steht zu seinen Freunden und verhält sich damit ihnen gegenüber loyal –, stimme ich Ihnen selbstverständlich zu. Dennoch muß man auch beim untertänigen Loyalisten, der sich ja seiner Untertänigkeit meist nicht so recht bewußt ist, von empfundener Loyalität sprechen, denn sie geschieht freiwillig; der Untertan glaubt oder wünscht sich, daß er Mächtige ihn gern hat, ihn liebt. "Mutti Merkel" hat bei vielen genau diese Haltung ausgelöst und verstärkt. Man kann das meiner Erfahrung nach aber erst erkennen, wenn man sich von der rein abstrakten Begrifflichkeit entfernt und die Empfindungen, die einerseits den Unterworfenen und andererseits den Unterwerfer unweigerlich begleiten (abgesehen von Psychopathen, die solche Empfindungen nicht kennen), berücksichtigt.
-fdik- schrieb am 04.11.2018 13:05:
Beim Untertanengeist jedoch ist das nicht nötig. Er besteht ausschliesslich aus Unterwerfung unter die Macht.
Dem gewöhnliche Untertan ist die Existenz der Macht, wenn überhaupt, meist nur ansatzweise bewußt, denn er wurde in der Regel in diese Verhältnisse hineingeboren und kennt daher gar nichts anderes, so daß er die Macht quasi automatisch als gut und in vielen Fällen fast scho anbetungs- und bewunderungswürdig empfindet, ähnlich wie er die Übermacht der Eltern spätestens dann als "naturgegeben" anerkennt, wenn er sie zu spüren bekomt. Als Lösung für dieses Dilemma, nicht in wohlwollender Obhut zu sein, entwickelt sich die Identifikation mit dem Agressor: So möchte er auch sein, dieser Macht gilt hinfort sein ganzes Streben, vor allem im Zusammenhang mit dem anerzogenen Minderwertigkeitsempfinden, das er selbstverständlich negieren muß und das ihn schließlich der Macht zugänglich macht.
Lesen Sie hierzu die Werke von Arno Gruen sehr aufmerksam und lassen Sie dabei auch die Impulse aus Ihrer Gefühlswelt zu, und Sie werden zu begreifen und zu verstehen beginnen.
irwish.de/Site/Biblio/ArnoGruen.htm
-fdik- schrieb am 04.11.2018 13:05:
Allenfalls besteht die Hoffnung, dass die Macht sich so besänftigen lässt, und nach dem St. Florians-Prinzip dann Dritten schadet und nicht dem Untertanen selbst. Untertanengeist ermöglicht es dem Untertanen, eine Position zu vertreten, in der er den Anschein von Macht erfährt: dadurch, dass der Untertan die Position der Macht vertritt, erfährt jeder, der sich gegen den Untertan stellt, sofortige Bestrafung. Aber nicht, weil er sich gegen den Untertanen stellt. Sondern nur, weil er sich gegen die Macht gestellt hat. Untertanen lieben jedoch diesen Ersatzstoff einer tatsächlichen Machterfahrung.
Der loyale Untertan identifiziert sich immer mit dem Mächtigen, wie ich oben bereits angerissen habe, denn er strebt dadurch, daß ihm der Mächtige oder die Mächtigen die Möglichkeit bieten, sich über sein Minderwertigkeitsempfinden hinwegzusetzen – das dadurch aber nicht einfach verschwindet, sondern quasi umgewandelt wird in das aus der Minderwertigkeit entstandene Kontroll- und Machtbedürfnis –, indem er an dieser Macht als an etwas Großem, Bedeutendem teilhaben kann und so selbst ein Teil dieser ihm bedeutsam erscheinenden Sache zu werden. Dadurch spürt er seine einst anerzogene Minderwertigkeit nicht mehr oder kaum noch, und er fühlt sich "von nun an" berechtigt, selbst gegen Ungehorsame und Abweichler vorzugehen. Das ist eine Art Gruppennarzißmus, wie man sie z.B. bei den Fußballfans findet, einer speziellen Art des Nationalisten, der seinen Verein stets für den allerbesten hält und sich meist nicht scheut, andere Vereine in den Dreck zu ziehen oder sich gar mit Anhängern des gegnerischen Vereins handfest in die Wolle zu kriegen. Die Aggression, die hier zutage tritt, ist Ausdruck der unleugbaren Tatsache, daß das so erschlichene Wohlgefühl des Anhängers immens von dieser Identifikation abhänging ist.
-fdik- schrieb am 04.11.2018 13:05:
Und die Macht liebt deshalb ihre Untertanen. Immer. Aber sie fördert sie nicht. Weil sie nicht muss.
Daß Mächtige ihre Untertanen lieben, bezweifle ich. Von Liebe möchte ich in diesem Zusammenhang erst gar nicht sprechen. Liebe hat mit all dem rein gar nichts zu tun, im Gegenteil zeichnen sich solche Verhältnisse gerade durch die Abwesenheit von Liebe und Liebesfähigkeit aus.
Mächtige mögen die Macht, die mit der Untertänigkeit unweigerlich einhergeht, sie streben wie ein Süchtiger nach dem Kick, den das Machtgefühl ihnen verschafft. Die Untertanen als Individuen sind ihnen meiner Beobachtung nach völlig gleichgültig. Man sieht das doch auch daran, daß Firmenleiter und -bosse stets danach streben, so wenig wie nur möglich für die Dienste ihrer Angestellten zu bezahlen, am liebsten würden sie die Steuerzahler, die große Zahl der anonymen Untertanen, dafür bezahlen lassen, und genau das wurde mit der Agenda 2010 eingeführt. Ich habe auch schon die Forderung nach Arbeitslagern für Migranten im Blätterwald rauschen hören, oder die Forderung nach Verdingung zur Prostitution oder nach Verkauf von körpereigenen Organen, um den Verringerung oder gar Ausfall von Löhnen zu kompensieren.
Menschen egal welchen Status' begegnen sich allermeist nicht als Subjekte, sondern sind fast immer bestrebt, den anderen, das jeweilige Gegenüber zum Objekt ihre Interessen zu machen. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, daß auch die meisten Eltern ihre Kinder zu Objekten machen, sei es als Objekt ihrer Erziehungs- bzw. Dressurbemühungen, sei es als Ersatz und späte Befriedigung ihrer eigenen gescheiterten Bemühungen um gesellschaftlichen Status und Macht. Die Menschen kennen es nun mal nicht anders, und nur sehr wenigen widerfährt irgend ein Bruch, der sie dazu bringt, sich und ihre bisherige Haltung neu zu überdenken und gegebenenfalls neu auszurichten. Haben wir erstmal Krieg und ist alles der Zerstörung anheimgegeben, passiert das plötzlich sehr vielen Leuten, aber dann ist es zu spät, dann herrscht Totalitarismus und man wird gezwungen, auf andere Menschen zu schießen, die man noch nie zuvor gesehen hat und die einem nie was getan haben.