Hildegard von Bingen gehört allerdings zum Problem, nicht zur Lösung. Die christliche Weltanschauung ist eine prekäre, die so lange nicht ins Nihilistische umschlägt, wie sie noch religiös-metaphysisch eingehegt ist. Renaissance hat diesen Zaun geschwächt, Aufklärung ihn zertrümmert, beides erst nach Jahrhunderten mit Breitenwirkung. Heute leben wir in einer weitgehend säkularisierten, aber immer noch christlich geprägten Welt.
Mit dem Siegeszug des Wirtschaftsliberalismus, der mittlerweile den Planeten weitgehend dominiert, haben sich mit ihm seine christlich geprägten Fundamente ausgebreitet. Namentlich die Sicht allen Natürlichen, erst recht aller Artefakte, als frei verfügbar. Christliche Welt ist a-ökologisch bis zum Äussersten, die erfolgreiche Rebellion gegen ihre gleichsam monarchische Verfassung, entfesselt die Konsequenzen. Was übrigens bei de Sade ganz explizit geschildert wird. Wenn man bei ihm von der sexualisierten Form der absoluten Gewalt absieht - was freilich schwierig ist -, bleibt reiner Nihilismus, der sich gegen die Erde selbst richtet. Eine gemässigtere, nicht konsequent durchgeführte Darstellung davon findet sich auch bei Goethe in der Faust-Schlussszene.
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