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  • iugurta

mehr als 1000 Beiträge seit 24.01.2004

Re: Widersprüchlich...

kss schrieb am 6. März 2015 14:24
> Ja, die Dokus. Gerne auch "seriöse" angelsächsische. Da fallen selbst
> mir als Laie oft Widersprüchlichkeiten und Fehlinterpretationen ins
> Auge. Eine ähnliche Doku gibts auch noch mit Hunden und Katzen.
> Natürlich ausgewachsenen Tieren, deren Sozialisation man nicht kennt.
> Was gerechtfertigt wäre, solange dahinter eine seriöse Studie steht
> und die Doku nur dokumentiert, was man aber oft nicht erfährt.

In diesem Fall standen tatsächlich Studien hinter den präsentierten
Ergebnissen; die Doku war ziemlich gut. Und ja, sie sagten auch klar,
daß der Hund als einziges Tier menschliche Gesten in großem Umfang
verstehen kann - er schaut uns sogar anders ins Gesicht als
Artgenossen oder anderen Tieren, um unsere Gefühlsausdrücke besser
mitzubekommen. Tatsächlich ist es aber wirklich so, daß unter
Schimpansen altruistisches Verhalten in freilebenden Gruppen seltener
vorkommt als bei anderen Tieren (z.B. Canis lupus). In der Doku ging
es ja um die Domestikation des Hundes (oder des Menschen, oder beider
- wie man es sehen mag), es wurden entsprechend Voraussetzungen
hervorgehoben, die für den Beginn des Zusammenlebens von Vorteil
waren. Eben z.B. die Bereitschaft Gefundenes oder Geschlagenes mit
dem Rudel zu teilen, auch wenn man es nicht müßte, weil kein anderer
da ist.

Aber selbst in dieser Doku haben sie einen kruden angloamerikanischen
Wissenschaftler unterbekommen, der die ganze Sache wieder übertrieben
hat. ;)

> Angeblich sind die emphatiefähig:
> http://www.sueddeutsche.de/wissen/primatenforschung-affen-mit-gefuehl
> -1.912947

Sind sie, das sind aber viele Tiere. Und keines davon ist insgesamt
so nett und niedlich, wie Menschen es sich wünschen. Zwar sind einige
Affenarten im Umgang miteinander im Vergleich zu anderen Spezies
schon sehr grob, aber auch und gerade intelligente/soziale Arten
zeigen oft auch die "dunkle Seite": Papageien schmeißen benachbarte
Paare aus dem gewünschten Traumnest; Wölfe rächen sich nach
jahrelanger Mißhandlung an hochrangigen Tieren; Delphine begehen
Gruppenvergewaltigungen, etc.pp.
Sogar unter Kühen gibt es hochkomplexe Täuschungsmanöver und
Allianzen: schwächere Bullen können sich zusammentun und einen von
ihnen gegen einen eigentlich stärkeren Kontrahenten unterstützen und
so die Rangordnung durcheinanderwirbeln.

> Einige Affen entdeckten durch Zufall auch den anderen Mechanismus.
> Sie probierten beide Möglichkeiten einige Male aus - und blieben dann
> bei dem, was die anderen Gruppenmitglieder anwendeten."

> Was der Aussage dieses TP-Artikels diametral ist. Jetzt kann man sich
> was aussuchen.

> Vielleicht erklärt es sich tatsächlich so:
> "Affen zeigen nicht nur die positiven Seiten empathischen Verhaltens.
> Wer spürt, was der andere empfindet, der hat auch alle
> Voraussetzungen, den anderen zu täuschen."

Auch da sind Affen nicht alleine: Krähen und Raben täuschen gerne
auch Artgenossen, wenn sie gerade nicht teilen wollen. Hunde täuschen
sogar ihre Halter, bzw. wissen genau, wann sie sich etwas eigentlich
Verbotenes erlauben können, weil gerade keiner hinsieht, etc.pp.
Andere Beispiele für "die dunkle Seite der Empathie" siehe oben.

> Dann gibt es vielleicht sogar unterschiedliches Gruppenverhalten bei
> der selben Art. Etwa abhängig vom Sozialverhalten des Patriarchen.
> Das wäre schon sehr menschenähnlich.

Die Erklärung, daß sich in Affengruppen die Arbeitsweise ranghoher
Tiere durchsetzt, wäre tatsächlich menschenähnlich und wird
_möglicherweise_ der Grund sein, warum sich die Affen da anpassten,
im anderen Test aber nicht (in dem ging es wohl auch - der Artikel
beim MPI ist ja leider nicht frei zugänglich - um die Verbreitung von
Kultur auf gleicher Ranghöhe), nach dem Motto: "Ich mache es wie
Cheffe. Punkt."

Spannend wird es dann, wenn die andere Herangehensweise die bessere
wäre, man aber trotzdem bei jener des Chefs bleibt.

Zum Patriarchen noch: In dem Artikel eines Biologen habe ich mal
gelesen, daß selbst bei Pavianen und Löwenmännchen Verhaltensweisen
vorkommen können, die man so erstmal für unmöglich hält: Es wurde ein
Löwenmännchen beobachtet, das die Jungen des Vorgängers bei
Positionsübernahme nicht tötetet, sondern aufgezogen hat.
Pavianmännchen, die keinen Harem haben (den Weibchen ist die
Rangfolge innerhalb der Männchen egal), werden oft dabei beobachtet,
daß sie junge Weibchen, die noch nicht geschlechtsreif sind, umsorgen
und umhegen: sie tragen sie, beschützen sie und bringen ihnen Essen.

In beiden Fällen profitierte der "nette Kerl" Jahre später vor seinem
Verhalten: Bei den Pavianen wählt das Weibchen ihn später mit
größerer Wahrscheinlichkeit als Ehemann, wenn sie geschlechtsreif
wird; bei dem Löwen haben sich seine Weibchen in den Kampf mit einen
anderen Löwen eingemischt und sind bei ihm geblieben, obwohl er
verloren hätte.

mfg,
iugurta

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