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  • Ice Tea

217 Beiträge seit 10.07.2020

Forts. der Vorwärtsverteidigung

Aus dem Stand und ohne hier auf eigene, den Artikel ergänzende "Archivforschung" zurückgreifen zu wollen war das "atomare Patt", das zu Zeiten der Reagan-Ära angesichts der totalen Zerstörungen auf beiden Seiten zu politischen Einschätzungen eines "unführbaren", weil "unkontrollierbaren" Atomkriegs führte, kein Grund Planungen für einen atomar geführten 3. Weltkrieg zu verwerfen.

Wie man bereits an den amerikanischen Ideen für eine Weltraum-basierte Raketenabwehr (SDI oder "Star Wars") sehen konnte, ging es darum, die gegnerischen Langstrecken-Atomraketen und ihr politisches "Drohpotential" möglichst zu entwerten.

Für die traditionell erdgebundene Kriegsführung haben sich ihre humanistischen Denker und Planer entsprechend an solche Überlegungen gemacht, wie man die Flugdauer der eigenen, westlichen Raketen so verkürzen kann, dass der Sowjetunion ihre "Reaktionszeit" für Gegenschläge möglichst eingeschränkt wird. Das militärische Ideal des schnellen "Erstschlags" war dabei, dem Gegner seine atomaren Mittel schneller zerstören zu können als der sie noch einsetzen könnte.
Für diese Strategie der präventiven "Vorwärtsverteidigung" war es deshalb wichtig die Flugdistanzen ihrer "Marschflugkörper" zu verkürzen, also in Westeuropa die geeigneten Staaten einzubinden, bei denen sich neben herkömmlichen Stützpunkten auch solche nahen Abschussrampen installieren lassen. Es ging also darum aus dem "unführbaren Atomkrieg" einen führbaren zu machen, ebenso durch die Entwicklung von "präziseren", begrenzt wirksamen Atomwaffen, die nicht gleich weiträumig alles in Schutt und Asche verwandeln, sondern nur "lokal".

Nach dem "Fall des Eisernen Vorhangs" haben sich für die Führungsmächte der Nato ganz neue Perspektiven ergeben die Frontlinien weiter in die "befreiten" Oststaaten zu verlegen und deren Führer scheinen ja, trotz aller "Ängste", ganz begeistert von ihrer neuen Rolle als Frontstaat gegen Russland zu sein. Mehr und modernere Waffen um andere zu bedrohen stiften mehr "Sicherheit" und eine ganze "europäische Sicherheitsarchitektur" - logo.

Die Nachrichten über das "schrottreife" verbliebene Sowjet-Militär, den maroden Zustand der Wirtschaft und den Zerfall der Teilrepubliken in souveräne Staaten hat der Westen sehr wohlwollend gesehen, zum Teil selbst gefördert und sich bei der neuen Einstufung Russlands als "Entwicklungsland" sicherlich die Hände gerieben.
Die westliche Erwartung, dass es tendenziell weiter den Bach runtergeht, wurde allerdings immer dann enttäuscht, wenn Russland sich doch als fähig erwiesen hat, militärisch gegen weitere "innere" Abspaltungen vorzugehen und sich auch nach außen in die kriegerische Konkurrenz um Jugoslawien, den Irak, Syrien, usw. einzumischen. Wohlgemerkt, um eigene Interessen als Ordnungsmacht anzumelden, und schon damit gegen die Ordnungsinteressen der westlichen Koalitionen.

Bisherige Frontstaaten wie Deutschland wurden von den USA zu mehr eigenständigen Rüstungs- und Verteidigungsbeiträgen aufgefordert und US-Stützpunkte teilweise oder vollständig abgezogen. Eine zeitlang ging dies als Klage über den "Verlust der amerikanischen Schutzmacht" durch die Medien. Durch die deutsche und andere europäischen Entscheidungen deutlich mehr in die eigene Aufrüstung zu stecken und die östlichen Staaten als militärische Partner aufzubauen sollte dieser "Verlust" offenbar mehr als ausgeglichen werden.

Die beliebte Frage wer "angefangen" hat ist fast müßig, auch wenn man es den Russen zuschreibt und der Westen diesen Konflikt mit Ost-Erweiterung" und neuen politischen und militärischen Partnerschaften "nur" geschürt hat. Ernst genommen gibt der Fingerzeig "Der hat aber angefangen..." gar keine unausweichliche oder nötige Konsequenz für irgendwas an, nicht mal im Kindergarten.
Die Beschuldigung "Angefangen!" wird so oder so einzig als Rechtfertigung für jede weitere Eskalation genutzt und das verkündete Ziel Russland zu besiegen geht weit darüber hinaus einen irgendwie gearteten Friedenszustand in der Ukraine herzustellen. Einen Frieden mit Russland lehnt die Ukraine offenbar selbst ab, wenn sie sich Waffen wünscht, die mindestens bis nach Moskau reichen. Und der Westen hat sich derweil für wirtschaftliche Schädigungen und eine stufenweise Steigerung der Waffengewalt entschieden, bei der das russische Militär sich abnutzt.

Selbst im Falle eines Rückzugs wird Russland der erklärte Feind des Westens bleiben und Nato und EU lassen jetzt schon keine Zweifel daran, dass sie langfristig ihre Alleinzuständigkeit für den europäischen Osten vorantreiben werden. Und auch die für Russland, bei dem mindestens die prominenten Experten sich öffentlich darüber auslassen, wie eine von "uns" erwünschte Nachfolge-Regierung aussehen könnte. Geeignete westfreundliche "Oppositionelle" oder förderungswürdige "Demokratiebewegungen" sind allerdings in Russland nicht in Sicht und so halten sich politisch korrekte Politiker noch mit Vorschlägen für eine ihnen genehme Regierung in Moskau zurück. Soll ja eine "demokratische Entscheidung des russischen Volks" bleiben, - etwa so, wie in der Ukraine.

Nein, der Westen mischt sich niemals irgendwo ein, jedenfalls nie unberechtigt, wie die anderen.

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