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  • WLohoff

210 Beiträge seit 25.12.2021

Sprachliche Manipulationen

"Pflanzenschutzmittel" hiessen früher einmal Unkrautvernichter. Und obwohl es biologisch gesehen keine Unkräuter gibt, erfüllen Unkrautvernichter genau die für sie gedachte Funktion aus anthropozentrischer Sicht. Von Unkrautvernichter zu sprechen wäre insofern ehrlicher.

Auch von einer "Pflanzenschutzmittelindustrie" zu sprechen ist nicht adäquat, denn die Herstellung der Unkrautvernichter erfolgt in der Chemieindustrie.

Mein Vater machte in den 1950'ern noch seine Lehre bei den "Chemischen Werken Hüls". Daraus wurde der "Chemiepark Marl" [1]. Hört sich doch viel schöner an. Nach dem Chemieunglück von Seveso 1976 war es wohl aus Marketinggründen opportun, zumindest sprachlich mal einiges aufzumöbeln.

Nur nebenbei: Warum gibt es auf den riesigen Dächern der "Metro Logistics" im Nordwesten des Chemieparks eigentlich keine Solarpanel??

Die sprachliche "Optimierung" ist insbesondere dem Chemiegiganten Bayer AG gelungen, wo aus den chemischen Werken der "CHEMPARK" wurde [2]. So ganz wollte man sich offenbar der Geschichte dann doch nicht entledigen und das "CHEM" blieb. Das "entledigen" gelingt aber wunderbar dem firmeneigenen Verein mit den Fussball-Millionären, deren Gehalt von den Mitarbeitern der Bayer AG erarbeitet wird. Aus dem Chemie-Multi wird ein "Life-Science-Unternehmen", siehe [3]. Das ist Marketingeschwurbel vom feinsten, freundlich gesagt.

Künftig sollen aus Knästen wohl "Urban-Life-Center" werden, wie ich mal gehört oder gealpträumt habe. Derartige Verdummungssprache wirkt offenbar, sonst würde man es wohl nicht machen.

In Dortmund lenkt die Politik mit ihren medialen Stiefelleckern von ihrem Totalversagen in der Abfallwirtschaft ab, indem sie die städtischen Müllkippen sprachlich optimiert und einen alternativen Anstrich verpasst.

So wurde im Ortsteil Deusen die "Müllkippe Deusen" zum Deusenberg [4]. Die stadteigene Müllfirma hat eine Mountainbike-Arena darauf errichtet. Man beachte: Arena, nicht Rundkurs oder Strecke!

Die Menschen in Deusen leben heute also an einem Berg, nicht an einer Müllkippe!

Die ältere Müllkippe im Ortsteil Grevel wird von der Propaganda heute als "Greveler-Alm" [5] bezeichnet. Auf der Alm befindet sich nicht etwa eine Solaranlage, sondern der "Solarpark-Grevel" [6]. Ein Park ohne Bänke, den man wegen der hohen Zäune nicht begehen kann. Eine Überwachungskamera kontrolliert das.

Schöne neue Welt, kann man da nur sagen.

MfG

[1] https://maps.app.goo.gl/XjXSwi6AdnvsitDw8
[2] https://www.chempark.de/
[3] https://www.bayer04.de/de-de/page/business#business-partner
[4] https://maps.app.goo.gl/o7CrgDV6J5y2MhUy5
[5] https://www.wr.de/staedte/dortmund/article6981848/ausflug-zur-deponie-grevel-in-dortmund.html
[6] https://osm.org/go/0GMzt6t~V-

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