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  • Uco

180 Beiträge seit 02.12.2004

Re: Semi-OT, Frage ans Forum zu Diskussionsargumenten

Vielen Dank für die ausführliche Antwort und die sachlichen Argumente.

Ich stimme zu, dass es recht hoffnungslos ist, die radikale Meinung meines Freundes grundlegend zu verändern. Es wird mir nicht möglich sein, ihn dazu zu bringen, den Konflikt in einem längeren historischen Rahmen zu betrachten und die Situation der Palästinenser auch nur im Geringsten zu berücksichtigen.
In seiner Welt ist Israel ein demokratischer Nicht-Apartheids-Staat, welcher schon vieles versucht hat, um den Palästinensern entgegen zukommen und ihnen unter anderem ermöglicht, in Israel zu arbeiten. Aber alle hach so gut gemeinten Versuche Israels wurden ausgeschlagen und als Dank bekam man immer nur Raketen. Diese Position ist entsetzlich, keine Frage. (Und ich wundere mich über 'rot' für meinen ursprünglichen Beitrag, weil ich ja gerade versuchen möchte, diesen furchtbaren Standpunkt argumentativ zu zerlegen.) Um diese Weltsicht zu verändern, bräuchte es Monate, um den Springer-Medien-Einfluss aus seinem Gehirn zu waschen.

Erfahrungsgemäß wird man bei einer derart diametral anderen Weltsicht es einfach nicht schaffen, konstruktiv dem anderen die eigene Weltsicht nahezubringen.
Was aber möglich ist, ist den anderen zum Nachdenken zu bewegen, indem man sich kleine Teile der Argumentation herausnimmt und sie zerlegt. In meinem Fall versuche ich es über das Mitgefühl. Das Leid der Menschen im Gaza-Streifen macht meinen Freund durchaus betroffen. In seiner Logik ist dieses Leid jedoch ein notwendiger Preis, um einen besseren Zustand zu erreichen. Ich möchte ihn davon überzeugen, dass selbst in seiner Weltsicht dieser 'bessere Zustand' vollkommen unrealistisch ist. Denn wenn er dies einsehen würde, müsste er sich auch eingestehen, dass die Kriegsgreuel nicht einmal einem 'guten Zweck' dienen würden.

Und an diesem Punkt bin ich abgeprallt an seinem 'Die Besatzung Nazi-Deutschlandes war doch erfolgreich' - Argument. Warum hat die Besatzung in Deutschland zu einem friedlichen Ergebnis geführt? Wie kann ich ihn davon überzeugen, dass ein solches Ergebnis im Gazastreifen niemals herauskäme?

Zu Ihren Punkten:
1. Natürlich ist es nicht legitim, den Tod von zahlreichen Zivilisten in Kauf zu nehmen! Aber dieses Argument habe ich schon gebracht - es wird damit 'abgewehrt', dass es der einzige Weg zu einem 'besseren Zustand' wäre.

2. Wieder: volle Zustimmung von meiner Seite, aber mein Freund wird sagen, dass sich die Hamas eben doch zerstören ließe, auch mit sehr viel geringeren zivilen Verlusten: langfristige Besatzung und dadurch stückweise Entmachtung. Eben so, wie die Alliierten es im Nachkriegs-Deutschland geschafft hätten.

3. Ein absolut korrektes Argument imho. Als Gegenargument von meinem Freund würde ich hierbei jedoch folgendes erwarten: wenn es keine Hamas mehr gibt, dann kann es auch keine Zustimmung mehr für sie geben. Und wieder könnte er darauf hinweisen, dass die Zustimmung für die Nazis nach Besatzung dann auch gesunken seien.

4. Dieses Argument könnte bei meinem Freund eventuell funktionieren, jedoch würde ich ein 'dieses Risiko muss man halt eingehen' als Antwort erwarten.

5. Absolut, auch ich bin davon überzeugt, dass nur eine wirkliche Perspektive für die Palästinenser den Hardlinern auf ihren Seiten die Zustimmung nehmen wird. Mein Freund wird leider antworten, dass man ja bereits versucht hätte, wirkliche Perspektiven anzubieten. So gerne ich ihm diese Ansicht ausreden würde, so wenig aussichtsreich denke ich ist dieses Unterfangen, da ich an seinem tief verwurzelten Weltbild rütteln müsste.

So sehr ich Ihnen in allen Punkten zustimme, mit fehlt leider immer noch ein konkreter Grund, warum eine Besatzung (à la Deutschland-Besatzung) niemals funktionieren würde. Wie kann ich meinen Freund überzeugen, dass er sich in seiner Weltsicht hier etwas vormacht? Darüber würde ich ihn zwingen, andere Lösungen zu betrachten und so bewirken, dass er vielleicht zumindest einer anderen Ansicht zuhören würde.

Einzig das Argument der möglichen Eskalation mit den Nachbarstaaten gibt einen konkreten Grund, warum eine Besatzung nicht möglich wäre, aber ich bin überzeugt, dass auch ohne eine solche Eskalation eine Besatzung niemals zu einer Verbesserung der Situation führen könnte.

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