...ich antworte mal mit: wenn nicht jetzt wann dann? :-)
Nein, im ernst, ich grübele auch gelegentlich darauf herum. Mein Fazit, wenn ich mich selbst beobachte: man wird zivilisationsmüde (na gut, vielleicht ist es auch mein Alter :-) ). Dieser sich ständig beschleunigende Drang zu immer mehr, zu immer größerer Komplexität, immer mehr Menschen, Verkehr, Neuigkeiten, Moden, Problemen, erschöpft irgendwie. Und da geht es mir gut, ich steh fest im Leben, hab einen Job und Familie und das Haus im Grünen abgezahlt und kann mir sogar leisten, Teilzeit zu arbeiten. Die Vorstellung nach einem anstrengenden Arbeitstag in eine Mietskaserne in einem "nachverdichteten" Problemwohnviertel zu müssen und den Abend mit Fertigpizza und netflix verbringen zu müssen, würde mich endlos frustrieren. Der zunehmende gesellschaftlich-politisch-mediale Irrsinn trägt nicht unbedingt zu einer Besserung bei, man fühlt sich eher machtlos.
Das erklärt aber eher, warum der Widerstand so gering ist. Man hat erstens keine Vorstellung davon, was man verlieren würde und hängt (u.a. deshalb) auch nicht sehr daran, nimmt den Alltag eher als Zumutung wahr und sieht außerdem kaum Einflußmöglichkeiten... man resigniert.
Die Ursache des "in-Frage-stellen aller Gewissheiten" hat hingegen m.E. mehrere Ebenen:
1) Teilweise VT: es ist von ganz oben (oder ganz hinten) gewollt, der Wokismus ist eine zutiefst in sich widersprüchliche Ideologie, die sehr spalterisch ist. Die Widersprüchlichkeit sorgt für klassische double-binds, wie sie Psychopathen gern benutzen, um ihre Opfer in der Defensive zu halten. Ich vermute, dass dieser Effekt gewollt ist, um eine maximal heterogene, globalisierte Bevölkerung leichter kontrollieren zu können.
2) Wokismus hat religiösen Charaker, man muss dabei nicht viel denken, sondern gehört zu den "Reinen", wenn man der gerade propagierten Lösung nachhechelt und jede Menge Moral ist auch enthalten. Das ersetzt perfekt die schwächelnden traditionellen Religionen.
3) Begünstigt wird das m.E. auch durch den Feminismus und immer mehr Frauen in Politik und Medien, denn Frauen legen mehr Wert auf Gefühligkeit, sind eher bereit ihre Sprache zu ändern, um ja niemanden zu verletzen usw. sind aber andererseits auch untereinander viel rigoroser, wenn es darum geht, einen Abweichler abzustrafen und auszugrenzen und neigen dazu, sich untereinander zu synchronisieren. Zumindest ist das meine Erfahrung.
4) Das alles trifft auf eine Jugend mit Bildungslücken, dauerabgelenkt von Smartphone und Internet, gewohnt Probleme auf Twitter-Niveau zu "diskutieren" und mit Shitstorm zu "lösen".
5) Das alles verstärkt sich gegenseitig, manifestiert sich an den Universitäten, schlägt sich in teilweise offener Propaganda bei den Massenmedien nieder, führt zu Sprachverboten usw. und daraus resultierend zu noch größeren Bildungslücken und noch weniger echter Toleranz. Man redet nicht mehr miteinander und versucht Irrtümer auszuräumen und den anderen zu verstehen, sondern man bekämpft sich umgehend, weiß immer schon, was richtig und falsch, was gut (ich) und böse (der Andersdenkende) ist...
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (13.07.2022 10:07).