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  • knarr

mehr als 1000 Beiträge seit 14.05.2007

"Die Drohungen gelten Frankreich"

Interessanter Artikel von Niels Kadritzke vom vergangenen Oktober, als ... "Yanis Varoufakis, der Finanzminister der ersten Regierung Tsipras, (...) nur zwei Jahre nach Ausscheiden aus seinem politischen Amt ein Buch über seine Erfahrungen und Auseinandersetzungen mit EU-Europa, der Eurozone und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geschrieben" hat.

Die zweite wichtige Enthüllung dieses Buches lautet: Schäubles Griechenland-Politik war weniger gegen Athen gerichtet, und auch nicht gegen die anderen disziplinlosen Südeuropäer, sondern vor allem gegen Paris. V. hat diese These schon zuvor publiziert, aber in seinem Buch ist sie am präzisesten belegt. Zum Beispiel wenn er von der IWF-Konferenz vom 16. April 2015 folgende Episode berichtet: In seiner unmittelbaren Nähe hörte er eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen Schäuble und Frankreichs Finanzminister Michel Sapin. Sein Nachbar, der französische IWF-Direktor Coeuré, übermittelte ihm den Grund der Aufregung: Michel habe Wolfgang angeschrien, „weil Wolfgang gesagt hat, daß er die Troika in Paris haben will.“

Was genau Sapin geschrien und was genau Schäuble zu ihm gesagt hat, kann V. in diesem Fall nicht mitteilen. Aber er erklärt dem Leser plausibel: Die deutschen Drohungen in Richtung Athen waren im Grunde ein Signal von Berlin an Paris: Wenn Frankreich den Euro will, muss es die Souveränität über sein Haushaltsdefizit aufgeben.

In einem Gespräch, das V. mit Schäuble am 11. Mitte Mai in Brüssel führte, beklagte sich dieser über den Widerstand der Franzosen gegen seine Europa-Ideen. Und als V. flapsig bemerkt: „Die wollten eure Deutschmark benutzen, aber ohne die Souveränität zu teilen“, stimmt Schäuble ihm von Herzen zu: Genau so sei es, aber er werde das nicht hinnehmen: „Jeder, der den Euro will, muss Disziplin akzeptieren. Und es wird eine viel stärkere Eurozone sein, wenn wir sie durch den Grexit disziplinieren.“(S. 409)

Damit war für Yanis klar, dass Wolfgang ein „größeres Spiel“ als das griechische spielte: „Grexit war für ihn ein Instrument, mit dem er seine Vision einer kleineren, disziplinierteren Eurozone verfolgte, wobei die Troika fest in Paris stationiert sein sollte.“(S. 415)

... Die Seitenzahlen beziehen sich auf das Buch „Adults in the Room“; die übersetzten Zitate weichen von der deutschen Ausgabe ab, die entsprechenden Stellen sind aber sicher leicht zu finden.

> https://monde-diplomatique.de/shop_content.php?coID=100105

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