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mehr als 1000 Beiträge seit 12.09.2001

sehr beschönigend...

Liebe Wednesday

so ein bischen 'auf die füße stellen' muß ich Dein zitat über den
zionismus nun aber doch, denn gar so schön, wie's darin klingt, ist
der zionismus nun keinesfalls. Ich hab' mal drei punkte
herausgegriffen & schließe mit einem zitat des nun wirklich über
'jede art von ... mißverständnis' erhabenen Walter Hollstein:

> Der politische Zionismus als die nationale Befreiungsbewegung des
> jüdischen Volkes entstand im 19. Jahrhundert im Kontext des liberalen
> Nationalismus, der sich zu jener Zeit in Europa ausbreitete.

Hitler hatte ja mal (zumindest sinngemäß) gesagt, der
nationalsozialismus sei die nationale befreiungsbewegung des
deutschen volkes... Zynismus beiseite: '... des jüdischen volkes' ist
so jedenfalls nicht richtig, da
1. weder länder (staaten) noch gar religionen notwendigerweise
'völker' repräsentieren
2. der begriff 'volk' in der regel einen eher nationalistischen
(chauvinistischen) denn nationalen charakter hat
3. weder 'die juden' noch 'die deutschen', 'die schweizer' oder gar
'die US-amerikaner'... ein 'volk' im engeren, d.h.
ethnisch-rass(ist)ischen sind.
Der zionismus war (und ist) unter menschen jüdischen glaubens die
ideologie einer kleinen minderheit; er entstand keineswegs dort, wo
juden *real* benachteiligt, unterdrückt oder verfolgt wurden (im
zaristischen rußland z.b.) sondern in den salons der westeuropäischen
idustriestaaten. Herzl, der begründer des zionismus nutzte zwar
einerseits die realen massaker an russischen juden propagandistisch,
was ihn jedoch keineswegs davon abhielt, einen der übelsten
russischen reaktionäre, den 'schwarzhunderter'-führer Plehwe, auf
dessen konto einige der schlimmsten massaker gingen als 'un bien
grand homme' (einen sehr 'großen' mann) zu bezeichnen.

> Im Zionismus kamen beide Ziele, Befreiung und Einheit, zu einer
> Synthese, indem man danach strebte, Juden von feindlich-bedrückender
> Fremdherrschaft zu befreien und die jüdische Einheit durch die > Sammlung der im Exil lebenden Juden aus allen Ländern der Welt in der > jüdischen Heimat wieder herzustellen.
 
Abgesehen von der tatsache, daß auch damals (zu beginn des zionismus)
die meisten menschen religiös begründete staaten ablehnten (und heute
erst recht ablehnen sollten - oder brauchen wir etwa noch mehr
'gottesstaaten'?), erinnere ich mich dunkel (ich bekenne hiermit eine
'jugendsünde': war mal ev. kindergottesdiensthelfer) daran, daß die
'jüdische heimat' ja doch wohl eher einem gewissen volk der
Kanaaniter gehörte, die auf anweisung des damaligen führers der
israeliten (bzw. angeblich auf anweisung eines 'gottes') von ihrem
'gelobten land' vertrieben (bzw. massakriert) wurden. Trotz allem
hatte die arabische bevölkerung palästinas (moslemischen,
christlichen und jüdischen glaubens) keine probleme damit *daß* juden
aus anderen teilen der welt nach palästina kamen (die arabische welt
ist schließlich berühmt für ihre gastfreundschaft). Zu recht jedoch
hatte die arabische bevölkerung probleme mit der tatsache, daß
jüdische siedler (mit zunächst eifiger unterstützung der britischen
kolonialherren) dieses land 'kolonialisierten', besetzten und
*beherrschten* und die ansässige bevölkerung von 'ihren' unternehmen
& gebieten ausschlossen.

> In dieser Hinsicht zeigte der Zionismus keinen Unterschied zu
> anderen Nationalbewegungen, die verschiedene liberale, traditionelle,
> sozialistische (linke) und konservative (rechte) Tendenzen annahmen.

Zwar ist es richtig, daß auch sozialisten teil der zionistischen
bewegung waren/wurden (ebenso, wie auch sozialisten als koloniale
einwanderer in den USA, in Südafrika etc. ihren 'beitrag' zur
unterdrückung der ureinwohner leisteten); im gegensatz zu echten
sozialistischen bewegungen (die immer emanzipatorische,
'klassenkämpferische' bewegungen waren), haben sie jedoch bereits
früh durch ihre teilnahme an der unterdrückungs- und
'apartheids'-politik der zionistischen führung ihren ursprünglichen
anspruch abgelegt. Die zionistische führung hat von beginn an
grundsätzlich mit reaktionären, ausbeutern und kolonialherren
kooperiert, nicht jedoch mit den armen und unterdrückten - das zeigt
sich bis heute an der diskriminierung der jüdisch-arabischen
bevölkerung in Israel.
Vor allem im übrigen zeigte der zionismus keinen unterschied zu
anderen extremen nationalistisch-chauvinistischen bewegungen, die
allein ihrer klientel, dem jeweiligen 'auserwählten' volk das recht
zugestanden, *über* dem recht und *über* allen anderen zu stehen.
Eine unterstützung des zionismus wäre also IMHO das letzte, was der
region den verdienten frieden bringen könnte.

Zum schluß noch einige worte aus der schlußbemerkung Walter
Hollsteins:

"... Die zionistische zielvorstellung einer renaissance des
verstreuten jüdischen volkes im 'heiligen Land' war zu ihrer zeit
durchaus *humanistisch*.
(...)
Diese fatale dialektik des zionismus wird freilich nur sichtbar, wenn
man die praxis der bewegung sozialgeschichtlich in jenem raum
verfolgt, wo sie ihre verwirklichung suchte. *Dann wird manifest, daß
die zionisten, um in palästina leben zu können, den palästinensern
das lebensrecht nehmen mußten*. Damit ist die folge der partiellen
aufhebung der jüdischen verstreuung heuer eine palästinensische
diaspora.
Diese konsequenz war frühzeitig erkennbar; auch die zionisten konnten
sie antizipieren; denn als sie die rückkehr der juden nach palästina
forderten, lebte dort eine halbe million arabischer eingeborener. Es
gab zu jener zeit der juden genug, die warnten. Mayer Sulzberger,
Gerichtspräsident im amerikanischen Pannsylvania, warf beispielsweise
dem zionismus vor, 'das volk, das in palästina lebt, unterwerfen und
des rechts auf selbstbestimmung berauben zu wollen, indem man ihm den
willen von menschen von außen oktroyiert, die niemals palästina
gesehen haben oder es niemals sehen werden [...] Demokratie meint,
daß diejenigen, die in einem land leben, ihre herrschaft bestimmen
und ihre macht bewahren können.'
(...)
der zionismus hat die juden im nahen osten isoliert. Israel kann nur
als künstliche westliche insel in einer arabischen umwelt
aufrechterhalten werden, die den 'judenstaat' in seiner jetzt-form
ablehnt. dergestalt kann aber der zionismus weder die judenfrage noch
das problem des 'judenstaates' im nahen osten lösen. Seine
expansionistischen prinzipien machen eine friedliche koexistenz, die
überhaupt erst die grundbedingung für einen sicheren 'judenstaat'
ist, zwischen juden und arabern unmöglich.
(...)
Damit wäre auch eine lösung der engeren und ursächlichen nationalen
israelo-palästinensischen problematik möglich; sie bestünde in einem
progressiven staat, in dem israelis und araber zusammenleben könnten.
'*Die gründung eines binationalen oder ganz einfach eines gemeinsamen
staates, aus dem jede ethnische und religiöse diskriminierung - wie
auch immer die mehrheit sein mag - verbannt wäre, ist das einzige
ziel, das den erfordernissen eines dauerhaften friedens und dem
fortschritt des landes entspricht*. Dies ist auch der einzige weg,
der die integration israels in den nahen osten sicherstellen und die
interventionen der großmächte verhindern könnte.'*] Erst ein solcher
staat schlösse im nahen osten jene formen nationaler unterdrückung
definitiv aus, deren sich israelis und araber gegenseitig
bezichtigen. Der status quo hingegen bedeutet: auch in zukunft
krieg."

*]M. Machover, pour un état judéo-arabe, in: le monde, 9.1. '69

aus: Walter Hollstein, kein frieden um israel, Ff/M '72

weitere materialien:
http://people.freenet.de/edges/pais.htm

bis denne
yours
edge

ps:
um noch einmal zu betonen, was Walter Hollstein '72(!) schrieb:
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*** DER STATUS QUO HINGEGEN BEDEUTET: AUCH IN ZUKUNFT KRIEG ***
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   (wieviele 30jährige kriege 'braucht' die welt denn noch?)

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