Der Fragenkatalog des Wahl-O-Mats war total künstlich auf Sekundärpunkte fixiert

Einfach selbst mal testen:
https://www.wahl-o-mat.de/bw2021/app/main_app.html

Gerade gemacht. Die meisten Fragen sind ja so dermaßen für die Tonne, als Trenn-Kriterien total ungeeignet und bestenfalls Sekundärkriterien, während nach einer Menge tatsächlich enorm viel relevanter Themen (die im übrigen tatsächlich relevante Trenn-Kriterien wären und erlauben würden, die Politik-Linien der jeweiligen Parteien zu definieren) überhaupt nicht gefragt wird. Und ein paar Fragen waren recht schwammig.

Entsprechend waren bei mir vor Tuning im Ergebnis zwischen den ersten 7 Parteien weniger als 5% Differenz. Total gaga, wo doch unter diesen Parteien mehrere tatsächlich total unwählbare dabei waren. Aber so ist es halt, wenn sich die Fragen um die tatsächlichen primären Trennlinien herumschummeln und sich künstlich auf Sekundärpunkte fokussieren.

Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass die Fragen den Anschein geben, ausgerechnet suggestiv und künstlich so gewählt worden zu sein, um Punkte zu finden, wo möglichst viele Wähler weniger etatistischer Parteien sekundäre Differenzen zu diesen Parteien haben und diese Parteien dadurch zu schwächen und damit die Etatisten künstlich zu stärken.

Bei mir kam beim Wahl-O-Mat BaWü tatsächlich das "Bündnis C - Christen für Deutschland" auf den 1. Platz (76% Übereinstimmung), obwohl ich Agnostiker bin. :-O

Bei mir kam keine Partei über die 70%-Hürde (und auch dieser Prozentsatz bildet nur den schrägen Fragenkatalog ab und nicht die tatsächliche Zustimmung zu irgendeinem Parteiprogram). Aber schrägerweise fand sich aufgrund des seltsamen Fragenkatalogs auch die CDU vor Tuning innerhalb der genannten Top-5%-Gruppe (WTF).

Wobei mein Agnostizismus (i.e. die philosophische Position, dass es zumindest für uns und momentan kein Mittel gibt, zu Wissen über die Existenz oder Inexistenz einer Gottheit zu gelangen) per se noch nicht mal der Punkt gewesen wäre, der mich von der Wahl der CDU abhält. Ist ja nicht so, als ob Agnostizismus inkompatibel mit Christentum wäre. Agnostiker war ich auch schon in meiner frühen Jugend, als ich selbst auch noch an einen Gott (in meinem Fall sogar eben genau den christlichen) geglaubt hatte. Und als ich dann als Jugendlicher diesen mir in meiner Kindheit von meinem Umfeld eingetrichterten theistischen Glauben überwunden hatte und damit vom Theisten zum Atheisten wurde, hat das meinen Agnostizismus auch in keiner Weise tangiert.

Agnostizismus ist eben als epistemologische Position über das Wissen (Gnosis) unabhängig davon, ob man an einen Gott glaubt (Theist) oder nicht (Atheist) und in letzterem Falle ob man an die Inexistenz von Göttern glaubt (positiver bzw. in alten Texten auch "starker" Atheismus) oder nicht (negativer bzw. in alten Texten auch "schwacher" Atheismus). Das einzige, was zum Agnostizismus inkompatibel ist, ist die Vorstellung, Gnosis (Wissen) über die Existenz oder Inexistenz von Göttern zu haben, was nur jeweils eine Minderheit der Theisten und der positiven ("starken") Atheisten betrifft.

In Westeuropa und insbesondere Deutschland stimmen mittlerweile wohl schon länger eine Mehrheit der Christen dem Agnostizismus zu, auch wenn immer noch nur eine sehr kleine Minderheit explizit "agnostisch" als Teil ihrer weltanschaulichen Position nennen… was halt schlicht daran liegt, dass für die allermeisten agnostischen Theisten der Agnostizismus nur ein für ihr Denken und Alltagsleben kleines unwichtiges Detail ist, selbst ggü dem ganzen Katalog an religiösen Glaubensvorstellungen, denen sie immer noch aufsitzen. Wenn letztere dann plötzlich wegfallen nimmt dann der Agnostizismus plötzlich einen viel höheren relativen Stellenwert ein.

Auf dem letzten Platz von 21 Parteien ist bei mir übrigens die Linke gelandet (nur 30% Übereinstimmung), was mich nun nicht überrascht hat.

Bei mir lag die DKP noch unter den Linken. Nebenbei hat mich verwundert, dass der schräge Fragenkatalog seltsamerweise was den anderen Randbereich angeht in keiner Weise auf die ganzen Punkte eingegangen ist, die ich auch an der AfD eklig finde, so dass die gegenüber einer Bewertung nach tatsächlich relevanten Trennkriterien im Wahlomat einen schräg aufgeblasenen Prozentsatz schaffte. Sonst wäre sie auch recht weit unten gewesen, wenn auch nicht ganz so weit unten wie Linke und DKP.