Die WHO empfiehlt heute eine tägliche Aufnahme von weniger als 5 g Kochsalz. Während die Menschen in der EU täglich zwischen 8 und 19 g Kochsalz zu sich nehmen. Dass muss wohl fürchterlich "ungesund" sein.
Nun gibt es aber gut gemachte medizinische Studien, die Zeigen, dass das Mortalitätsrisiko und das Morbiditätsrisiko bei einer Zufuhr von weniger als 10 g Salz pro Tag nicht sinkt, sondern sogar ansteigt [1]. Die im Jahr 2018 veröffentlichte Studie hatte 95'000 Teilnehmer in 18 Ländern.
Die gut konzipierte und in Fachkreisen viel beachtete Studie hat folgendes gezeigt:
- Einen deutlichen Zusammenhang zwischen Salzkonsum und Bluthochdruck. Daher sollten Hypertoniker mit Kochsalz vorsichtig umgehen.
- Ein hoher Salzkonsum korreliert nicht gut mit einem erhöhten Risiko eines Schlaganfalls.
- Die Gesamtmortalität und die Gesamtmorbidität sinkt mit zunehmendem Salzkonsum.
- Bei sehr tiefem Salzkonsum steigt das Risiko eines Herzinfarktes und eines Schlaganfalls an.
- Die Lebenserwartung steigt bei einer täglichen Einnahme von 10 bis 12 g Kochsalz deutlich.
- Die Lebenserwartung sinkt bei einer sehr tiefen täglichen Salzzufuhr deutlich.
Empfehlen die Autoren der Studie die Einnahme einer Salzmenge? Nein, das sei wahrscheinlich individuell sehr unterschiedlich, aber eine tägliche Zufuhr von 4 bis 8 g Salz halten die Autoren für völlig unbedenklich.
Die Autoren merken zudem kritisch an, dass in fast allen Studien zum Thema als Endpunkt einzig der Blutdruck genommen wurde. Da andere Studien gezeigt haben, dass ein tiefer Blutdruck das Risiko eines Herzinfarktes und eines Schlaganfalls vermindert, werde jeweils unüberprüft gefolgert, dass der weniger Kochsalz den gleichen Effekt hervorrufen müsse - was aber offensichtlich nicht der Fall ist. Viele Studien zum Thema Kochsalz haben infolge des falsch gewählten Endpunktes keine Aussagekraft!
Leider gibt es zum Thema Ernährung wirklich nur sehr wenige gut gemachte Studien, was vor allem daran liegt, dass man idealerweise möglichst viele Versuchsteilnehmer über einen richtig langen Zeitraum isoliert und dann mit der zu testenden Nahrung "füttert". Wie wir wissen ist dieser Versuchsaufbau (zum großen Glück) nur in absoluten Ausnahmefällen tatsächlich realisierbar.
Typischerweise sucht man sich Versuchsteilnehmer und lässt diese während eines Zeitraums von maximal wenigen Wochen einen Fragebogen zur ihrer Ernährung ausfüllen. Im Wissen darum, wie schwierig es ist sich daran zu erinnern, was man am Vortag zu Mittag gegessen hat und da sicherlich oft sozial erwünschte Antworten abgegeben werden, hat dieser Ansatz nur eine sehr begrenzte Aussagekraft.
Aber nichts wissen macht auch nichts, fehlende Evidenz lässt sich spielend leicht durch Ideologie ersetzen. Ich habe jedenfalls schon mehr als einmal erlebt, dass die offiziellen Ernährungsempfehlungen erheblich verändert wurden und ich wage die Prognose, dass die Empfehlungen auch in der Zukunft ändern werden. Die Wissenschaft steht beim Thema Ernährung noch ganz am Anfang.
[1] Mente A, O'Donnell M, Rangarajan S, et al: Urinary sodium excretion, blood pressure, cardiovascular disease, and mortality: A community-level prospective epidemiological cohort study. Lancet 2018; pp. 496-506
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