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  • astrachanschaf

mehr als 1000 Beiträge seit 03.03.2005

Mein lieber choco...

Wenn ich es recht überschaue, bin ich i.A. tendentiell eher näher an
deiner Meinung, als an anderen. Aber diesen Spruch hättest du stecken
lassen sollen.

Die Verbraucher sollen faire Preise für gute Produkte zahlen? Dann
sollen auch Arbeitgeber faires Geld für gute Arbeit zahlen. Dein
"Dann kündige doch." führt genau zu der Abwärtsspirale, die eine
Gesellschaft in den Ruin treibt.

Es gibt IMMER jemanden, der für noch nen Euro weniger deinen Job
machen würde. Wer damit argumentiert, um Lohnansprüche wegzufegen,
diskreditiert sich im Endeffekt selbst. Man kann nicht einfach die
Mechanismen eines Keynes von Produkten auf dem Markt auf menschliche
Arbeit übertragen.
Der Kaffeemaschine ist es egal, ob ihr Material von einem billigeren
Anbieter eingekauft wird, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wer aber die
selbe Logik auf menschliche Arbeit anwendet, ignoriert die Tatsache,
dass die Wirtschaft für die Menschen da sein sollte und nicht
umgekehrt.

Der Sinn des Fortschritts besteht nicht darin, mich immer billiger zu
machen, um einem obskuren, metaphysischen Ding zu nützen, dass sich
Wirtschaft nennt. Die USA sind schon seit ner Weile auf diesem Weg.
Gebracht hat es ihnen eine Supermachtstellung deren Basis Armut
heißt. Europa hat diesen Weg inzwischen auch beschritten und die
ersten Anzeichen sind zu sehen.

Mag sein, dass der reine Marktwert von "Routinearbeit" wie z.B.
einfache Dienstleistungen auf Talfahrt ist. Das liegt zu einem
bedeutenden Teil auch an uns Konsumenten, die überhaupt nicht
einsehen, dass sie für ein Produkt mehr bezahlen sollten als sie
unbedingt müssen (man siehe z.B. Discount-Märkte). Aber hier muss es
eine Grenze für betriebswirtschaftliche Reationalisierungen geben.
Und diese Grenze heißt Würde.

Mit Sprüchen wie deinen, versuchen manche diese letzte Grenze
einzureißen. Anstand und Schamgefühl haben sich ja unter dem Druck
schon längst aufgelöst. Aber irgendwo ist einfach mal Schluß.

Du findest diesen Druck auch nur gut, so lange er dir selbst nützt.
Das ist das perfide daran. Wenn man es richtig anstellt und zur
richtigen Zeit am richtigen Ort ist, kann er sogar überaus nützlich
sein. Das wird aber auch immer nur für einen begrenzten Teil der
Gesellschaft gelten und immer nur sehr temporär. Spätenstens wenn man
nicht mehr oben auf schwimmt, bekommt man zu spüren wie es ist, wenn
man vom Menschen zu einer Kostenstelle reduziert wird, die
rationalisiert werden muss oder rausfliegt.

Ich könnte es mir auch leisten, diese unangenehme Seite der Realität
zu ignorieren, da ich mittelfristig bestens abgesichert bin und
langfristig zumindest gute Aussichten habe. Wenn man sich als
Mitglied einer Gesellschaft versteht, ist das aber ein fataler
Fehler. Denn früher oder später bekommt man (in)direkt die Folgen
dieser Ignoranz zu spüren.
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