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  • TecDoc

mehr als 1000 Beiträge seit 17.05.2004

Eliten und Automatisierung ...

> Den Lokführern geht es um Lohnmaximierung, sie wollen den
> Schweinezyklus (Derzeitige Knappheit an Lokführern bei gleichzeitigem
> Expansionswillen der Bahn AG) knallhart ausnutzen.

Ist ja im Prinzip richtig, nur bei den momentanen Gehältern der
Lokführer (so um 2000,- Euro) von "Lohnmaximierung" zu reden, geht
ein wenig an der Sache vorbei.

> Die Knappheit an Piloten bzw. Lokführern rührt übrigens daher, daß in
> beiden Fällen die Unternehmen (Airlines bzw Bahn) eine wichtige Rolle
> bei der Ausbildung der spielen: Die Möglichkeiten, den Berufs des
> Lokführers zu erlernen, sind außerhalb der Bahn AG nun mal nicht
> besonders groß. Die Möglichkeit den Beruf des Piloten zu erlernen
> sind zwar etwas größer (z.B. Bundeswehr) aber dafür ist die
> Ausbildung auch sehr viel teurer (m.W. weit über 100.000 Euro bzw.
> 12-15 Jahre Verpflichtungszeit bei der Armee).

Auch alles richtig, aber auch nur die halbe Wahrheit: An
Piloten/Lokführer-Aspiranten werden hohe Eingangsanforderungen
gestellt (Gesundheit, Schulbildung, Zuverlässigkeit, Motivation,
etc.), d.h. die potentielle Zahl von "Auszubildenden wäre auch bei
bestem Willen der Unternehmen begrenzt.
Bzw. wird die Ausbildung richtig! teuer, wenn man auch weniger
qualifizierte Aspiranten nehmen würde ...

> Der Clou ist nun, daß die Unternehmen aus Kostengründen wenig
> Lokführer bzw. Piloten ausgebildet haben, weil das eben für sie teuer
> gewesen wäre. Eine ganz klare betriebswirtschaftlich sinnvolle
> Entscheidung... So sinnvoll halt, wie BWLer entscheiden können. Mann,
> die wissen doch was ein Schweinezyklus ist, können aber trotzdem nur
> bis zum Quartalsende denken.

Weil ihre Kapitalgeber dies auch tun, und auch diejenigen, deren
Kapital sie verwalten - und da sollte sich keine etwas vormachen, zu
"denjenigen" gehören auch die ganz schlichten Kleinanleger, welche im
"Finanztest"-Heft die beste Rendite für ihre Lebensversicherung
nachschlagen ... .

[...]

> Bis ins Detail stimmt der Vergleich: Sowohl die Lokführer als auch
> die Piloten begreifen sich als Elite (was sie bei der derzeitigen
> Knappheit auch sind!)

Sie sind es nicht nur wegen der Knappheit. Lokführer und Piloten
haben einen "elitären" Ausbildungsweg, sie tragen jeweils die letze
Verantwortung für hunderte von Menschenleben - also ich sehe da schon
prinzipielle Unterschiede z.B. zu einer Service-Kraft.

> und sie wollen daher separate Tarifabschlüsse.

... was ich wiederum nicht so sehr verstehe ... ne eigene
"abgehobene" Gehaltsgruppe, kann ich ja verstehen, aber das mit dem
eigenen Tarifvertrag geht wohl mehr auf das Konto der Gewerkschaften.

> Die Piloten wollten damals keinen gmeinsamen Vertrag mit dem niederen
> Pöbel vom Bodenpersonal, die Lokführer wollen heute keinen
> gemeinsamen Vertrag mit Schaffnern und Fahrkartenverkäufern.
> Transnet hat schlechte Fahrkarten: Soweit zur Solidarität innerhalb
> der Arbeiterklasse, zu der selbstverständlich auch Piloten und
> Lokführer zählen....

Eben nicht. Auch so ein linker Kardinalfehler: Es gab nie und gibt
keine auch nur annähernd homogene "Arbeiterklasse" mit gleichen
Interessen ... "abhängig angestellt" trifft die Gemeinsamkeit noch am
ehesten, viel wichtiger ist hier aber die Frage der Austauschbarkeit
und der Ersetzbarkeit.
Die ist schon zu "normalen" Zeiten bei Piloten etc. schwieriger als
bei anderen Arbeitskräften, im Moment aber fast unmöglich.

[...]

> Bei Personalknappheit UND wenn das Unternehmen gleichzeitig
> expandieren will, DANN und nur DANN liegt die Marktmacht beim
> "skilled worker", beim "highly trained professional". Nur dann kann
> er hohe Lohnforderungen stellen.

"Hohe"? Er kann fast Forderungen stellen, wie er will (hier 30%).

> Ansonsten ist er immer in der Defensive.

Keineswegs. Denn Piloten etc. arbeiten immer in empfindlichen
Schlüsselpositionen, zu "normalen" Zeiten kann er eben nur "normale"
Forderungen auf sein eh schon üppiges Gehalt stellen ...

> Die GDLer werden für die Lokführer einen goldenen Abschluß rausholen.
> Die Marktsituation ist auf ihrer Seite, sie haben das Angebot, die
> anderen (Bahn AG) haben nix, außer einer großen Nachfrage. In so
> einer Situation diktiert der Anbieter die Preise.

Jo. Sehe ich jetzt auch kein Problem bei ...

> Wenn die GDL richtig viel rausholt, so daß es der Bahn AG wehtut,
> DANN und nur DANN wird man sich in der Vorstandsetage Gedanken
> darüber machen, wie man z.B. Züge vollautomatisiert fahren läßt, so
> daß man langfristig diese teuren Lokführer einspart.

Und hier sind wir wieder bei der "Elite": Kein Passagier wird in ein
Flugzeug ohne jeden Piloten, ohne jeden zuletzt verantwortlichen
"Käptn" einsteigen, beim einem Zug ist es ähnlich. Piloten,
Lokführer, etc. sind eben doch mehr als "nur" "highly trained
professionals" ... .

> Automatisierung ist im Kapitalismus ein Ergebnis hoher Lohnabschlüsse:
> Niemand setzt Maschinen ein, solange Arbeiter billiger sind.

Automatisierung hat noch viele andere Grenzen, ausser der bloßen
Rentabilität; die Übernahme von Verantwortung ist eine dieser
Grenzen.

Gruss,
  TecDoc

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