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  • Mov Faltin

mehr als 1000 Beiträge seit 11.12.2013

Fake News?

(Das Opfer wurde übrigens verdächtigt, Checks oder Lebensmittelgutscheine für einen Einkauf gefälscht zu haben.)

Meinem Kenntnisstand zufolge dürfte das eine Falschinformation sein -- es handelt sich vielmehr um eine mutmaßlich gefälschte 20-Dollar-Note, aufgrund derer die Polizei informiert wurde. Das ist im Wesentlichen kein »Check« (was auch immer das sein soll, ein Haken?) und auch kein Lebensmittelgutschein.

Ich bitte dringend, solche und ähnliche Verfehlungen zu unterlassen. Darum geht es auch gar nicht, um den Grund des Polizeirufes. Der Typ hätte davor einen Menschen umbringen können; auch das hätte keine solche Restrainttechnik legitimiert zu einem Zeitpunkt, da er sich schon mit Handschellen und ohne Gegenwehr in Gewahrsam befand.

Aber um George Floyd geht es nicht -- oder eben den meisten nicht. Den einen geht es um systematische Diskriminierung gegen Schwarze, anderen um Polizeigewalt, wieder andere wollen eine materielle Revolution anzetteln, und ein viertes Lager stürmt opportunistisch Läden (kommt dabei wohlgemerkt mit sauteuren Sportwagen angefahren), um den eigenen Wohlstand zu mehren. Und alle diese Gruppen haben zudem einen gewissen Erlebnistrieb, den viele ihrer Mitglieder ausleben.

Aber all diese Lager sind grundverschieden: Polizeigewalt richtet sich primär gegen Minderheiten, aber vor allem deshalb, weil sichtbare Minderheitenmerkmale ziemlich übereinstimmen mit sichtbaren Armutsmarkern. Traurig, aber wahr: An der Hautfarbe lässt sich viel zu häufig der Lebensumstand ablesen -- und in prekären Umständen ist die Sozialisation eben eine sehr viel aggressivere, der Hang zu Gewalt und zu Straftaten höher. Die Hautfarbe »schwarz« ist dabei eben bloß ein Symptom der systematischen Polizeigewalt aufgrund von Äußerlichkeiten; es gibt aber andere Symptome, und vor allem gibt es viel tiefergehende Gründe. (Die Hautfarbe bedingt nach heutigem mehrheitlichen Kenntnisstand keine Unterschiede zwischen Menschen, also gilt es, beim Thema Polizeigewalt auf eine möglichst alle Diskriminierten betreffende Abhilfe zu drängen, nicht nur bezüglich Schwarzer.) Die Diskriminierung Schwarzer indes ist tatsächlich eines der ganz hässlichen Symptome von Pauschalisierungen aufgrund von Äußerlichkeiten -- ein Zustand, den man allerdings mit Gegenungerechtigkeiten primär verstärkt und der sich auswachsen muss -- und seit Jahrzehnten im Begriff ist, das zu tun. Zu langsam, klar, aber immerhin: Keiner, nicht einmal Hardcorerechte in den USA, würden heute noch auf die Idee kommen, Trinkbrunnen mit einem Schild »nur für Weiße« oder »nur für Schwarze« auszustatten. Es gibt kaum noch derart offenen Rassismus wie zu Rosa Parks' Zeiten, sondern es gibt heutzutage primär unterschwelligen oder unbewussten (der sich allerdings selbst wieder verstärken kann und durch Lagernarrative wird). Die Ziele eines Anarchismus (leider nicht in Chomskys Sinne) bzw. einer materiellen Revolution, die viele Mitglieder des Schwarzen Blocks vertreten, sind ebenfalls gut gemeint: Schluss mit der Waffengewalt auf der Welt, Schluss mit der Armut und Ausbeutung. Aber auch hier sind die Mittel zum Zweck, nämlich das Androhen oder gar Angehen eines gewalttätigen Umsturzes, extrem dumm gewählt, nicht mehrheitsfähig -- und rechtfertigen bei vielen Betrachtern sogar Polizeistaatmethoden. Das Vorgehen hier ist also kontraproduktiv sowohl für diesen Anarchie-Ansatz -- als auch für Black Lives Matter oder die Leute, welche die Polizei zur Rechenschaft ziehen wollen. Und dann sind da noch die kriminellen Opportunisten, welche durch ihre Plünderungen den Protestierenden noch deutlicher einen Bärendienst erweisen (zumal sie zumindest in den ersten Nächten mehrheitlich schwarz zu sein schienen): Kriminalität rechtfertigt starkes Durchgreifen der Polizei, und Kriminalität, die primär durch Schwarze begangen scheint auf den Fernsehschirmen von Florida bis Washington, die mag in den Köpfen ihrer Zuschauer Rassismus befeuern. Und zwar nicht nur vom Hörensagen; nein, die Leute sehen das mit eigenen Augen, im Livestream aus dem Helikopter, der eben deutlich weniger redaktionell gefiltert ist als eine Ex-post-Zusammenfassung.

Und damit haben am Ende fast alle verloren, die auf die Straße gingen. Und die bis auf die Looter alle ein gutes, hehres und wichtiges Ziel hatten: soziale Gerechtigkeit.

Ich könnte kotzen.

PS: Übrigens schrieb ich extra von »Diskriminierten« (im Sinne von »systematisch Benachteiligten«) und nicht von »Minderheiten«, weil da draußen mannigfach Beispiele vorherrschen, wo Mehrheiten diskriminiert werden, etwa in einigen islamischen Ländern zwischen Schiiten und Sunniten -- oder zwischen Hutu und Tutsi damals. »Minderheiten« wäre in diesem Kontext von Diskriminierungen schlichtweg unzureichend.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (02.06.2020 21:46).

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